Abstauber
Gehabe von großen Kindern, die glaubten, erwachsen zu sein. Einen
Moment überlegte Tauner, ob er sich bei McDonald’s einen Kaffee holen sollte. Doch
dann dachte er, dass der Kaffee bestimmt besser schmecken würde, wenn die Ehlig
ihn bezahlte.
Tauner sah
nach links, um die Wilsdruffer Straße zu überqueren, vor dem Kulturpalast, um den
noch immer zwei staatliche Instanzen über den Köpfen der Steuerzahler stritten.
Zwar sollten die Autos hier nur Dreißig fahren, aber die Strecke bot sich an zum
imponieren, vor solchen, die vor dem Club am Altmarkt standen und denen imponiert
werden wollte. Es kam gerade kein Fahrzeug, so überquerte Tauner mit gemächlichem
Schritt die erste Fahrbahn und stutzte dann auf den Straßenbahngleisen stehend,
denn im hellen Lichte der Straßenlaternen sah er einen Mann auf sich zukommen, den
er wiedererkannte. Es war Heiligmann, der Trainer, der nicht Nationaltrainer werden
durfte, und sich nun anstatt im Zentrum des Geschehens ganz am Rande wiederfand,
zwischen all den anderen Leuten, die keinen Einfluss auf die EM hatten.
Was macht der
in Dresden, wunderte Tauner sich, hielt er sich wirklich zur Verfügung, wie man
es von ihm verlangt hatte? Tauner wusste nicht, ob es Zufall war, dass Heiligmann
ihm genau entgegenkam. Der alte Trainer aber schlenderte scheinbar ziellos umher.
Er sah sich um und erinnerte sich vielleicht gerade an ein paar solche Nächte wie
diese eine war und was er angestellt hatte in ihnen und vielleicht fragte er sich,
ob er bereuen musste, was er getan oder nicht getan hatte. Einsam sah er aus, wie
einer, mit dem niemand mehr etwas zu tun haben möchte.
Ein paar Tiere
huschten durch die Nacht. Fledermäuse, vermutete Tauner, die den vom Licht angelockten
Motten nachjagten. Heiligmann sah nach oben, hatte die hellen Rufe der Tiere bemerkt,
hatte Tauner noch nicht erkannt, der nun höchstens zwanzig Meter entfernt war. Tauner
blieb auf den Straßenbahngleisen stehen, wollte passiv sein und Heiligmann entscheiden
lassen, wie sie sich begegnen würden. Heiligmann näherte sich der Fahrbahn. Tauner
dachte, er bliebe stehen, weil er das Auto gehört hatte, welches sich vielleicht
mit dem drei- oder vierfachen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit näherte, denn
Heiligmanns Schritte verlangsamten sich, doch der Trainer betrat die Fahrbahn.
»Warten Sie!«, rief Tauner. Der
Fahrer des Wagens beschleunigte nach wie vor. Heiligmann sah nach links, sah das
Auto und machte auf dem Radweg halt. »Bleiben Sie da, ich möchte kurz mit Ihnen
reden!«, rief Tauner, der sich nicht auf den Gleisen unterhalten wollte und war
fassungslos, weil Heiligmann plötzlich nicht mehr auf seinem Platz stand.
Jemand schrie auf und erst jetzt
realisierte Tauner, dass Heiligmann fast zwanzig Meter weiter auf dem Gehweg lag
und die Lichter des Autos in der Ferne verschwanden. Nun lief er los, griff sogar
zur Waffe, verwarf diesen Gedanken aber sofort, das Auto war zu weit weg, selbst
wenn er hätte schießen wollen.
Heiligmann war leblos und Tauner
als Erster bei ihm. Es war offensichtlich, dass der Trainer schwer verletzt war;
wenn er noch lebte, dann hing sein Leben am seidenen Faden. Aus den tiefen Schürfwunden
floss Blut, die Kleidung war zerfetzt. Auch aus dem Mund lief Blut. Leute kamen
gerannt. Jugendliche zumeist.
»Geht weg!
Ich bin Bulle!«, sagte Tauner harsch und holte sein Telefon hervor. »Nicht berühren,
vielleicht ist sein Rückgrat verletzt«, mahnte er noch und wünschte, die zwei Mädchen
hinter ihm würden aufhören zu schreien. Doch er selbst spürte wie ihm die Hände
zitterten. Er tastete vorsichtig nach Heiligmanns Puls, fand ihn, ganz schwach.
Er wählte den Notruf. »Tauner hier, Hauptkommissar Kripo, schwerer Unfall auf der
Wilsdruffer direkt vor Kulturpalast, möglicherweise Wirbelsäule verletzt, schwacher
Puls. Und ich brauche ein paar Streifenwagen, und eine Fahndung nach einem schwarzen
Audi, Dresdner Kennzeichen, mit beschädigter Front.«
»Hier sehen
Sie mal!«, rief jemand, und hatte ein Nummernschild in der Hand.
»Leg es so hin,
dass ich es lesen kann.« Tauner wählte die Nummer der Zentrale. »Tauner hier. Sofort
Fahndung nach einem schwarzen Audi, Kennzeichen DD-GY 990! Unfall mit Fahrerflucht,
Personenschaden.«
»Der hat den voll mit Absicht umgefahren!«,
sagte der junge Mann, der das Nummernschild gefunden hatte.
Tauner hockte sich zu Heiligmann,
hielt ihm das Handydisplay vor das Gesicht, kein Atem kondensierte. Er suchte noch
einmal
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