Abtruennig
meinen Mund öffnen, um danach zu fragen, aber ich kam nicht dazu. Ein markerschütterndes Geräusch ließ mich erschrocken zusammenzucken und ein heftiger Schmerz schnitt sich im gleichen Moment durch meinen Oberkörper.
Ich bemerkte erst jetzt, dass es mein Schrei war, der durch die rauchige Luft hallte. In Handschuhe gehüllte Hände hatten die Klinge aus meiner Brust gezogen und mein Blut rann in dickflüssigen Bahnen an der Schneide hinunter. Ich wollte etwas sagen, wenn nötig um meinen baldigen Tod bitten, aber die Worte blieben mir regelrecht im Hals stecken. Mein Verstand konnte nicht begreifen, was sich vor mir auf einmal abspielte.
Die Gestalt streifte mit der freien Hand ihre Kapuze nach hinten ab und das Gesicht, welches mich nun ansah, war nicht im Geringsten das, was ich erwartet hatte.
Es war eine junge Frau. Ihr bleiches Antlitz wurde von schwarzen, dichten Locken umrahmt und ihre silberfarbenen Augen fixierten meinen Blick. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. „Nicht das, was ihr vermutet habt, nicht wahr?“ Ihre Stimme war samtig und wohlklingend.
Ich war nicht imstande zu sprechen, aber mein Kopf nickte von ganz allein.
Sie gluckste. „Ja, das geht Anderen auch so.“
Mir schweiften auf einmal unzählige Gedanken durch den Kopf, verwirrende Bilderfetzen, die sich nicht wirklich greifen ließen, aber eine beunruhigende Wirkung auf mich hatten. Ich sah die Frau plötzlich vor mir, wie sie mir ihre spitzen Eckzähne in den Hals rammte. Wie ich durch die angrenzenden Wälder taumelte, auf der Suche nach… wonach?
Die junge Frau lehnte sich ruckartig näher an mich heran, bis ihr Kopf meinem sehr nahe war. „Ich weiß, was ihr euch fragt, William!“
Meinen Namen, woher kannte sie meinen Namen?
„ Oh, ich weiß mehr über euch, als ihr glaubt.“
Wie…?
Ihr leises Lachen ließ meinen gesamten Körper erschauern. „Ich kann eure Gedanken lesen. Ich weiß, was euch und eurer Familie widerfahren ist. Ich weiß auch, dass ihr über eine besondere Begabung verfügt, die euch beim Adel Macht und Reichtum eingebracht hat. Ihr standet sogar in der Gunst eures Königs… und doch ist euch nichts geblieben. William de Tracy, ihr seid ebenso gefallen, wie eure anderen Mitstreiter.“ Sie lehnte sich zurück und ich konnte wieder ihr blasses Gesicht sehen. Ihr hübscher Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. „Ihr habt damals zwar nur den Befehl des Königs ausgeführt, aber ihr hättet Thomas Becket niemals töten dürfen. Heinrich hat sich dadurch selbst keinen Gefallen getan, denn die Kirche hat bis heute einen Schuldigen gesucht.“
Ich zuckte unweigerlich zusammen. Mein Bewusstsein wehrte sich gegen jegliche Erkenntnis. Mein König würde doch nicht…? Nach all den Jahren, dass ergab doch keinen Sinn. „Was? Dachtet ihr, es war purer Zufall, dass diese Männer euch überfallen haben? Wie leichtgläubig…“ Ihre Augen funkelten mich an, und das schimmernde Grau ihrer Iris zog mich unwillkürlich in seinen Bann. „Nein, es war geplant euch und euer Weib auszulöschen.“ Ihre Stirn legte sich in Falten. „Ja, euer Sohn…das geht sogar gegen meine Prinzipien.“
Meine Familie…der Schmerz schien meinen betäubten Körper nicht mehr vollends zu erreichen.
„ Ihr habt zuviel vorausgesehen, William. Ihr hättet nicht alles preisgeben dürfen, auch ein König ist nur ein Mensch. Ein schwaches Individuum, trotz Krone.“ Sie zog ihre Hand, in der sie noch immer das Schwert hielt, zu sich heran. Scheinbar gedankenverloren betrachtete sie die rote Flüssigkeit auf der glänzenden Klinge. „So wertvoll.“ Es war mehr ein Knurren, das aus ihrer Kehle gekommen zu sein schien. Und im nächsten Augenblick führte sie die Schneide an ihren Mund. Bevor ich auch nur reagieren konnte, ließ sie ihre Zunge kaum merklich über die befleckte Oberfläche gleiten.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich begriff, was diese Frau da überhaupt tat. Sie kostete von meinem Blut! Ich wollte meinen Kopf abwenden, aber ich vermochte es nicht. Ich war wie hypnotisiert.
Mit einer grazilen Bewegung wischte sie sich einen Tropfen Blut von ihren Lippen. „Außerordentlich…“ Als sie mich wieder ansah, lächelte sie nur. „Soviel Hass ist mir seit Jahrzehnten nicht mehr untergekommen. Ihr habt wirklich nur noch ein Ziel, nicht wahr?“
Mein Verstand schien nicht mehr folgen zu können, aber der Zorn in mir konnte es.
Bevor man mich niedergestreckt und ich mir das Ende herbeigesehnt hatte, hatte
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