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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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ich meiner sterbenden Frau das Versprechen gegeben ihren Tod und den unseres Sohnes zu rächen.
    Mechanisch nickte ich der fremden Frau vor mir zu.
    „ Ich werde euch ein Geschenk machen, William. Ihr werdet leiden, noch mehr als jetzt, aber ihr werdet auch diese Prüfung überstehen.“
    Ich hatte keine Ahnung wovon sie da überhaupt sprach.
    „ Tauscht eure zerbrechliche Sterblichkeit ein, dafür werdet ihr ewiges Leben erhalten und noch soviel mehr…“ Von ihren seltsamen Augen ging auf einmal eine raubtierartige Gier aus und auch die Farbe changierte. Die Iris sah plötzlich aus wie flüssiges Silber oder Metall, es hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich.
    „ E-uer…N-name…“ Es war nur ein Krächzen, das aus meinem trockenen Mund kam.
    Die Unbekannte beugte sich erneut zu mir nach unten. Ihre Worte waren wie ein kühler Luftzug an meinem Ohr. „Elisabeth!“ Ein verführerisches Flüstern, das im nächsten Moment zu einem Graulen wurde.
    Und dann spürte ich ihre kalten Zähne an meinem Hals.
    Es war nicht wie das Reißen von Tierzähnen. Es war auch nicht das stumpfe Gebiss eines Menschen. Scharfe Spitzen, die sich in meine Haut bohrten, doch der Schmerz war erträglicher als die Schnittwunde in meiner blutenden Brust.
    Mein Kopf registrierte zwar das saugende Geräusch, aber mein Verstand versuchte diese Tatsache auszublenden. Ich wusste nicht wie lange sich dieses Geschöpf – was immer sie auch war – an mir labte, aber es spielte vermutlich keine Rolle. Ich hätte mich ohnehin nicht wehren können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Meine Kraft schwand dahin je mehr Blut ich verlor. Ich schloss meine Augen, um auf den Tod zu warten.
    Die eisigen Lippen lösten sich von meiner Haut. „William?“ Das melodische Geflüster kam aus dem Mund dieser seltsamen Kreatur, obwohl ich mir wünschte der Tod hätte nach mir gerufen. „Ihr wollt lieber sterben, als euer Versprechen einzulösen?“ Es klang ungläubig.
    Mein Versprechen. Ich schlug meine Augen wieder auf. „N-nein!“ Immer noch nicht meine wirkliche Stimme, aber die Frau schien mich dennoch zu verstehen.
    Sie nickte, immer noch lächelnd. „Wusste ich es doch.“ Sie zog einen Handschuh aus und legte ihn neben sich auf den Boden. „Ihr habt mir etwas gegeben, jetzt ist es an der Zeit, dass ich euch etwas gewähre.“ Sie schob den Ärmel ihres Kapuzenmantels nach oben und legte damit ihren gesamten Unterarm frei. „Nun ist es an euch zu trinken.“ Bevor ich versuchen konnte zu fragen, was sie damit meinte, führte sie ihr Handgelenk an ihren Mund. Es sah aus, als würde sie sich selbst beißen. Sie ließ ihren Arm wieder sinken und ein kleiner Blutstropfen klebte an ihren blassen Lippen – ein grotesker Gegensatz zu ihrer bleichen Haut. Unweigerlich schoss mir ein einziges Wort in den Sinn, das ich vor Jahren schon einmal gehört hatte. Die Frau, die es benutzt hatte, war dafür allerdings auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Grauenvoller Tod.
    „ Ja William, genau das bin ich.“ Ihr Lachen klang unheimlich und berauschend zugleich.
    Ein Vampir! Mein Atem stockte und ich wusste nicht, ob meinem Körper langsam die Kraft ausging oder ob ich mich vor dem was mir noch bevorstand fürchtete.
    „ Habt keine Angst.“ Der Vampir reichte mir ihr blutendes Handgelenk. „Nehmt von mir und ihr werdet mächtiger werden als jeder Mensch, dem ihr noch begegnet.“
    Mein Körper wollte meinem Gewissen gehorchen. Wir wollten die Augen schließen und sterben, aber der Zorn in mir war stärker. Die Wut ließ meine Finger nach ihrem Handgelenk greifen. Die Rachsucht sorgte dafür, dass sich mein Mund auf ihre verletzte Haut legte. Der Hass zwang meine Lippen, sich zu bewegen.
    Der Vampir lächelte siegessicher, als ihr Blut meinen Mund füllte. Ich erwartete Ekel und Abscheu, aber die Gefühle stellten sich nicht ein. Die Flüssigkeit war warm und kalt zugleich. Sie rann meine Kehle hinunter und wirkte beinahe wie Balsam in meinem verdorrten Hals. Salzig, metallisch und dennoch dürstete es mich plötzlich nach mehr.
    Sie stöhnte, aber es klang nicht, als hätte sie Schmerzen. Es schien, als kostete sie diesen Moment ebenso aus.
    Und ich trank.
    „ Genug“, flüsterte sie nach einer Weile.
    Ich verstand zwar, was sie sagte, doch ich konnte nicht gehorchen. Ich verspürte den Drang mir noch mehr von ihr zu nehmen, auch wenn ich nicht begriff, warum ich es tat.
    „ Genug!“, wiederholte sie und ihre Stimme war jetzt bestimmender.

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