Abtruennig
Mit der freien Hand drückte sie mich abrupt von sich, so, als würde es sie keine Kraft kosten mich wegzuschieben. Ich wurde fest zu Boden gedrückt.
Als meine Lippen die Wunde verließen, hätte ich am liebsten geschrien. Was hatte ihr Blut an sich, dass es mich derart aus der Fassung brachte? Es sorgte dafür, dass der Schmerz in meiner Brust aufgehört hatte und ich konnte die Verletzungen meines Körpers auch nicht mehr fühlen. Meine Glieder waren wie tot.
Der Vampir richtete sich auf. „Genießt diesen kurzen Moment, Sir William, denn das Leid wird euch in Kürze ereilen und ihr werdet euch dann wünschen zu sterben.“ Sie grinste und ich konnte ihre spitzen Eckzähne aufblitzen sehen. „Tatsächlich werdet ihr das auch.“
„ Was wird aus mir?“ Ich war endlich wieder imstande zu sprechen, auch wenn es mühsam war.
„ Das, was ich euch versprochen habe.“
Ich zögerte für einen kurzen Moment, ehe ich weiter sprach. „Wieso? Wieso habt ihr das getan? Ich meine, warum ich?“
Ihr Lächeln wurde dunkler. „Weil ich die Geschichte verändern will, William...weil ich sie bereits verändert habe. Weil ihr so voller Rachsucht seid, dass ihr ebenso meine Botschaft hinaus in die Welt tragen könnt und, weil ihr es tun werdet.“
„ Woher-“
Sie unterbrach mich triumphierend. „Woher ich von euch wusste? Nun, sagen wir es mal so, ich kenne den König besser als seine eigenen Söhne. Ich werde vermutlich niemals in irgendwelchen Schriftstücken oder Geschichten erwähnt werden, aber ihr werdet wissen, dass ich existiert habe... und er wird dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen.“ In ihren Augen blitzte schlagartig etwas auf, aber ich konnte nicht erkennen, was es war.
„ Ich werde euch noch einen Rat geben, William, den mir leider niemand gegeben hat. Haltet euch von der Sonne fern… und wundert euch nicht: diesen quälenden Durst wird weder Wasser noch Wein löschen können.“
Quälender Durst? Ich begriff nicht, was sie damit meinte, mir brannte jedoch noch eine andere Frage auf der Seele. „Wie werde ich die Männer finden, die meine Familie zerstört haben?“
„ Keine Sorge, euch werden ihre Spuren nicht entgehen. Ihr werdet sehen.“
„ Und, ihr?“ Ich versuchte mich aufzurichten, aber es war bedeutend anstrengender als zu reden.
„ Ich?“ Ihr Lachen war kristallklar. „Wir werden uns womöglich wiedersehen. Wer weiß… vielleicht habt ihr von mir bald wieder einmal eine Vision. Ich werde es dann wissen.“ Der Vampir drehte sich flink um.
„ Wartet!“ Ich lehnte mich nach vorne und es dauerte einige Sekunden, ehe ich auf meinen Knien Halt fand. Doch als ich wieder nach oben blickte, in die Richtung, wo sie gerade eben noch gestanden hatte, sah ich nichts mehr außer Rauch und die Trümmer meines alten Heims. Der Vampir war verschwunden.
Wie war das alles nur möglich? „Elisabeth!“ Mein Rufen erschreckte mich selbst, weil meine Stimme so rau klang.
Ich erhielt keine Antwort. Angestrengt versuchte ich die Hufschläge ihres Pferdes zu hören, aber in meinen Ohren begann es plötzlich zu rauschen.
Und dann kehrte der Schmerz in meiner Brust zurück. Doch jetzt war er anders. Ich betrachtete die Blessuren auf meiner Brust. Mein Hemd war mit Blut getränkt und Weiteres quoll aus der offenen Schnittwunde. Ich erinnerte mich jäh an die Worte der Fremden, und das Leid veränderte sich. Hitze durchströmte mich auf einmal, die Verletzungen brannten schlagartig wie Feuer. Es fühlte sich an, als würden Flammen versuchen mein Innerstes zu verbrennen. Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Körper krümmte und ich nach vorne auf den Boden kippte. Unerträglich.
Endlos erschienen mir die nächsten Augenblicke. Jetzt wünschte ich mir mehr denn je zu sterben. Die Schreie, die aus meiner Kehle kamen, klangen nicht mehr menschlich.
Lass es endlich aufhören!
Meine besondere Gabe schickte mir Bilder: Ich sah die Männer, die mir alles genommen hatten, das blanke Entsetzen spiegelte sich in ihren aufgerissenen Augen wieder. Ich konnte in ihren Pupillen sehen, vor wem oder was sie sich fürchteten. Ich sah meine Silhouette.
Was würde nur aus mir werden? Die Gedanken brachen urplötzlich wieder ab. Und, falls ich einmal geglaubt hatte es könnten nicht schlimmere Schmerzen existieren, so sollte ich eines besseren belehrt werden. Das flüssige Feuer in meinen Adern war nichts im Vergleich zu der Kälte, die mich unerwartet übermahnte. Ich wusste in diesem Moment, dass mein
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