Abtruennig
bluten. Das Fleisch war dunkel verfärbt. Bläulich. Ich konnte tatsächlich die Farbe erkennen. War das alles wirklich geschehen?
Elisabeths Worte kamen mir wieder in den Sinn; sie hatte gesagt, ich würde meine zerbrechliche Sterblichkeit eintauschen. Ich würde ewig leben! Wenn sie wirklich ein Vampir war…dann…war ich… ich drehte mich hastig um und mein Blick suchte nach dem Schwert. Es lag noch in greifbarer Nähe.
Ich hatte noch daran gedacht es in die Hand zu nehmen, da hatten sich meine Finger schon um den Griff gelegt. Hatten sich meine Reflexe so immens verbessert?
Ich wollte mein Gesicht in der glänzenden Klinge sehen und als ich mich betrachtete, überkam mich ein seltsames Gefühl. Einerseits wollte ich schreien, weil ich mich fürchtete, ich hatte Angst vor dem, was ich in der Schneide sah. Aber andererseits entwickelte sich etwas in meinem Inneren; ich fühlte mich kräftig, lebendig – auch wenn das nicht mehr der Fall war. Viel wichtiger war allerdings, dass ich die Chance bekam, mein letztes Versprechen einzuhalten, und das war für mich das Einzige, was in jenem Augenblick wirklich zählte.
23. Vergeltung
Ich hätte niemals daran geglaubt, wenn es mir nicht selbst widerfahren wäre. Es sollte normalerweise keine Vampire geben. Ich war aber auch nicht tot, obwohl mein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Ich fühlte mich seltsam. Mein Körper war mit Wunden und Schnitten übersäht und dennoch konnte ich ungehindert stehen. Vielmehr noch, ich hatte keinerlei Schmerzen mehr in meiner Brust. Ich bewegte mich, als wäre ich lebendiger als jemals zuvor. Meine Augen vermochten die Dunkelheit zu durchdringen und ich sah alles, beinahe so wie am helllichten Tag. Möglicherweise sogar noch besser.
Der Geruch von verkohltem Fleisch und Blut stach mir beißend in die Nase. Er war durchdringender als alles andere um mich herum. Diese Männer hatten meine Familie getötet. Verbrannt. Ausgelöscht. Ich würde genau das Gleiche mit ihnen tun, aber ich wollte zuerst wissen, warum sie es getan hatten. War es vielleicht wirklich so, wie der Vampir gesagt hatte? Hatte mich mein König hintergangen? Was war dann mit Hugh de Morville geschehen? Und was war aus den anderen beiden geworden…
Der Zorn in mir wuchs stetig. Er wurde größer als mein Gewissen oder meine Gottesfürchtigkeit, wenngleich mir mein Glaube half, die Kraft aufzubringen, um meine Frau und meinen Sohn zu beerdigen. Ich begrub sie gemeinsam hinter unserem Haus, in dem Fleckchen Erde, dass mal unser Garten gewesen war. Für eine Weile hockte ich mich vor die beiden Gräber und trauerte. Vielleicht wäre ich nie wieder von diesem Ort fort gegangen, aber ich existierte noch – allen Naturgesetzen zum Trotz – und ich war mir sicher, dass Gott es nur zu einem Zweck duldete.
Ich raffte meinen Körper auf, um diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, denen ich dieses Schicksal letztendlich zu verdanken hatte. Der Vampir hatte mir versichert, dass ich diese Schurken finden würde, ganz gleich wie viel Vorsprung sie auch hatten.
Und sie sollte Recht behalten.
Mein einstiges Heim lag mittlerweile weit hinter mir. Ich war vermutlich Stunden gelaufen, aber ich war überhaupt nicht erschöpft. Ich hatte unsagbaren Durst, doch mein Körper fühlte sich trotzdem kräftig an, so als hätte ich nicht hunderte von Kilometern zurückgelegt. Ich kam irgendwann an einen kleinen Flusslauf und es war seltsam. Ich hätte mich am liebsten in das Wasser gestürzt, um einen kräftigen Schluck der kühlen Flüssigkeit zu mir zunehmen, aber meinen Körper schien das Wasser überhaupt nicht zu interessieren. Ich musste meine Beine regelrecht dazu zwingen, um endlich stehen zu bleiben. Ich kniete mich ans Ufer, damit ich eine Handvoll Wasser schöpfen konnte. Gierig schluckte ich ein paar Tropfen hinunter und es tat gut, als es meine trockene Kehle benetzte, aber es war nicht mehr so, wie ich es bisher kannte. Erst schmeckte es nach nichts, und dann wurde es modrig. Ein wenig faul. Vielleicht war der Bach vergiftet worden oder ein totes Tier lag irgendwo Flussaufwärts am Ufer und verunreinigte das Wasser? Ich stand wieder auf und war schon fast dabei weiter zu gehen. Ein unerwartetes Reißen ließ mich aber inne halten: in meiner Magengegend rumorte es plötzlich. Es waren allerdings keine normalen Bauchschmerzen. Mein Körper verkrampfte sich ruckartig, ich zuckte unweigerlich zusammen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich auf meine Knie sank. Mein Rücken
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