Abtruennig
weiterkaute.
„ Euer Haus ist wirklich wunderschön, aber ziemlich groß. Wohnst du dort alleine?“
Lesleys Augenbrauen zogen sich zusammen.
„ Wieso, hast du vor mich auszurauben?“
Ich stutzte. Sie schien das zu bemerken und kicherte.
„ Das war ein blöder Witz, entschuldige…“ Lesley nahm einen Schluck Eistee und fuhr fort. „Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war, seitdem habe ich meinen Vater kaum gesehen. Er ist einundfünfzig Wochen im Ausland oder in seinem Büro in London.“
Wieso hatte ich mit dem Thema eigentlich angefangen?
„ Das tut mir leid! Ich wollte nicht…“
Sie unterbrach mich lächelnd. „Ist schon okay, keine Sorge. Es lässt sich nicht ändern und ist Teil meines Lebens. Ich werde mich auch nicht beklagen, ich habe ansonsten ein sehr gutes Leben und mir sind alle im Haus ans Herz gewachsen.“
„ Alle?“
„ Ja, ohne Amanda, Newton, Barbara, Tom, Jason und Lucy wäre das Anwesen und ich ziemlich aufgeschmissen.“
„ Ich schätze jetzt mal, dass du vom Personal sprichst, richtig?“
Sie nickte.
„ Sie wohnen mit im Haus, sonst wäre ich ja fast alleine und es ist ohnehin viel zu groß. Meine Tante kümmert sich zwar um viele Dinge, aber sie hat schließlich auch noch eine eigene Familie und wohnt in London. Sie kann nicht immer meinen Babysitter spielen.“
Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte ein wenig wehmütig.
„ Verstehe…“ Ich wollte nicht weiter bohren.
Liz hatte fast schon aufgegessen, als sie mich plötzlich irritiert anstarrte.
„ Ist alles okay?“
Ich war verwundert.
„ Mehr als das! Wieso?“
Sie deutete auf mein unberührtes Essen.
„ Du hast nichts gegessen und überhaupt nichts getrunken.“
Ich mochte es einfach, ihr dabei zuzusehen.
„ Ich habe wirklich keinen Appetit, liegt vielleicht an der Uhrzeit.“
„ Oh, sorry! Du hättest nicht aus Anstand etwas bestellen müssen.“
„ Ach, das ist doch egal. Vielleicht hast du ja noch Hunger.“
Ich schob ihr meinen Teller rüber.
„ Willst du mich mästen, dann sehe ich bald aus, wie die Frau im Film.“ Sie schüttelte sich. „Ziemlich ekliger Streifen.“
Ich grinste. „Du hast ihn ausgesucht.“
„ Ich weiß.“ Sie schnappte sich lachend noch eine Frühlingsrolle von meinem Teller.
Wir saßen für eine Weile einfach nur so in dem kleinen Restaurant und unterhielten uns. Es überraschte mich, wie einfach und angenehm es sein konnte, menschlich zu sein.
Als Liz dann nach einiger Zeit allerdings des Öfteren gähnte, bestellte ich kurzerhand die Rechung, obwohl sie mehrmals beteuert hatte, nicht müde zu sein. Es war mittlerweile aber schon halb drei. Der Imbiss war zwar fast durchgehend geöffnet, aber wir mussten das schließlich nicht ausnutzen. Ich hätte es natürlich sofort getan, aber ich musste auch nicht schlafen.
Als wir hinausgingen, zog Lesley an meinem Arm und dirigierte mich in eine andere Richtung.
„ Ich kenne eine Abkürzung. In Anbetracht der Uhrzeit würde ich niemals alleine hier durch laufen, aber ich habe ja einen großen Beschützer bei mir.“
Ich wollte ihr darauf antworten, aber sobald wir in eine schmale Gasse einbogen, waren meine Sinne bis aufs äußerste geschärft. Mehrere große Müllcontainer standen zu beiden Seiten an den Hauswänden. Eine altersschwache Straßenlaterne beleuchtete halbwegs den Weg. Am anderen Ende konnte man die etwas belebtere Straße sehen – wenn man zu dieser Uhrzeit überhaupt noch von belebt sprechen konnte – die vermutlich ihr Ziel war.
Ich würde Lesley wohl gleich tatsächlich das Leben retten müssen.
Vampire. Ich konnte sie sofort spüren. Es waren anscheinend zwei und sie hielten sich einige Meter vor uns im Verborgenen auf. Alles an ihnen signalisierte mir, dass sie auf Beutezug waren. Für mich waren sie keine Gefahr, aber ich hatte einen Menschen im Schlepptau.
„ Verdammt“, flüsterte ich.
Lesley hatte mich gehört, denn sie stoppte sofort und sah mich an. „Was ist?“
„ Wir sollten umkehren. Ich habe kein gutes Gefühl.“
Sie grinste.
„ Hey, da hat dich der Film wohl doch mehr mitgenommen, als du mir weiß machen wolltest, hm?! Na los, hier ist es beleuchtet, nicht wie im Film. Und die andere Hauptstraße da hinten kann man doch auch schon sehen. Es ist nicht weit.“
Sie bewegte sich von mir weg und lief ein Stück tiefer in die Gasse hinein.
Ich streckte meinen Arm nach ihr aus.
„ Ja, du hast Recht. Lass uns trotzdem zurückgehen. Wir rufen uns von der Straße
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