Abtruennig
Ernst meinte. Ich sah in seinem Blick, das er tun würde, was ich von ihm verlangte.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, stürmte ich aus der Toilette und rannte auf die Straße hinaus, das Handy bereits an meinem Ohr.
„ Vincent!“
„ Nicholas, wieso schreist du so?“ Er klang irritiert.
„ Ich bin etwas nervös, entschuldige.“ Ich versuchte mich zu beruhigen, aber mein Hunger hämmerte unablässig in meinem Adern und mein Mund war plötzlich staubtrocken.
„ Der Rat hat eine Entscheidung getroffen. Ich mache es kurz Nicholas, man wird deiner Bitte nicht nachkommen.“
„ Verdammt!“, zischte ich. Ich hatte nichts anderes erwartet und trotzdem traf es mich irgendwie unvorbereitet. Der unsagbare Hunger vernebelte vermutlich einfach nur meine Sinne. Ich musste mich zusammenreißen! Doch dafür war es anscheinend schon längst zu spät.
„ Warte!“ Vincent spürte meinen Zorn. „Sie werden es aber in absehbarer Zukunft in Betracht ziehen, wenn du dich weiterhin bewährst, Nicholas.“
„ In absehbarer Zukunft? Ich…Liz hat keine Zeit dafür, verstehst du nicht? Ich kann nicht warten und zusehen, wie sie stirbt.“ Die Verzweiflung sprach aus mir.
„ Nicholas, mach jetzt keinen Fehler oder du setzt alles aufs Spiel.“
„ Es tut mir Leid, aber ich kann für nichts garantieren. Wenn sie es will, werde ich es tun…“ Mit diesen Worten klappte ich mein Handy zu und stapfte wütend zurück zum Hotel. Von jetzt an wollte ich keine Zeit mehr verlieren.
Ich hatte kaum mein Hotelzimmer erreicht, da wählte ich auch schon Peters Nummer. Er ging sofort ans Telefon. „Nicholas, was gibt es?“
„ Ich werde heute wieder nach England kommen.“
„ Ist das gut oder schlecht?“, fragte er vorsichtig.
Sollte ich ihn darüber informieren? Das war mehr als gefährlich, schließlich hatte ich ihn schon zu weit in diese ganze Sache mit rein gezogen. Ich hatte das Gefühl, langsam durchzudrehen. Erst dieser entsetzliche Durst, gefolgt von diesem unglaublichen Aussetzer eben in dem Café und was hatte ich als nächstes vor? Ich musste mich sofort wieder unter Kontrolle bringen. Wo zum Teufel war meine innere Stimme, wenn ich sie brauchte? Ich hatte zwangsläufig den Entzug von Blut unterschätzt. „Äh, ja, nein“, stammelte ich durcheinander. „Ich muss mich noch gedulden. Am Wochenende werde ich aber nicht da sein. Ich erkläre dir alles, wenn ich wieder zurück bin. Kannst du bis Montag die Stellung halten?“
Er klang irritiert. „Natürlich…Du klingst nur so merkwürdig. Haben dir die Ältesten den Kopf abgerissen oder wie?“
Ich betrachtete mein Spiegelbild und musste zugeben, dass ich auch wirklich merkwürdig aussah, obwohl das noch untertrieben war. Die Kontaktlinsen konnten kaum noch verbergen, was sich hinter ihnen versuchte zu verstecken. Smaragdgrüne Augen funkelten mich aus einem mehr als blassen Gesicht an. „Nein, nein, alles okay. Ich melde mich wieder am Montag bei dir.“
„ Verstanden, dann ruf mich einfach an.“ Ich spürte ein kurzes Zögern. „Ich will bestimmt nicht mehr wissen?“
„ Nein, das willst du auf keinen Fall. Ich melde mich.“ Eilig legte ich auf, ohne auf seine nächste Antwort zu warten. Ich hatte ohnehin meine Pflichten vernachlässigt, gegen einige Regeln verstoßen und zudem noch weitaus Schlimmeres vor. Mir fehlte jetzt einfach die Lust ihm zu erklären, was ich sonst noch so plante. Abgesehen davon hatte er Recht, er würde es nicht wissen wollen. Ich ignorierte die Anklopfversuche auf meinem Telefon, denn ich war mir ziemlich sicher, dass sie von Vincent waren. Auch ihm durfte ich nichts mehr mitteilen. Er sollte nicht zwischen den Fronten stehen, das war allein mein Problem.
Mit einem tiefen Seufzer wählte ich erneut ein paar Ziffern auf meinem Handy. Ich rief kurzerhand die Fluggesellschaft an. Ich hatte Glück und bekam einen Flug am frühen Abend.
Es war ein Businessflug und ich war wohl der einzige Mann im Flieger, der nicht auf Geschäftsreise war. Vom Aussehen her senkte ich den Altersdurchschnitt erheblich, aber nur vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet. Mein Anblick war dagegen wohl das Grauen persönlich, denn von überall her erreichten mich musternde Blicke und neugierige Augen. Der Durst machte sich langsam auch körperlich bemerkbar. Meine weiße Haut wirkte noch fahler als sonst und ich wusste, dass mein Gesicht fürchterlich aussehen musste. Blutmangel hinterließ bei uns in der Regel eingefallene Wangenknochen und
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