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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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wir Cleveland erreichten, war es Viertel vor zehn. Der Zug sollte anschließend Richtung Süden weiter nach Cincinnati fahren und dabei an so unwahrscheinlichen Orten wie Springfield, Columbus und Dayton und ähnlichen lächerlichen Städtchen Halt machen. Ich wollte gar nicht daran denken, mit wie viel Verspätung er endlich in Cincinnati eintreffen würde. Mit dem Koffer in der Hand stieg ich in Cleveland aus und suchte mir zuerst ein Hotel und dann ein Restaurant.
    Ich checkte in ein heruntergekommenes, aber immer noch vorzeigbares Hotel an der Ecke Paine und Dreizehnte Straße ein, es war preiswert, aber nicht billig. In dem Zimmer gab es eine Dusche, was es schon angenehmer machte, und ein großes Bett, das einladend wirkte. Ich zog mir etwas an, das weniger nach Madison Avenue aussah, und ging zum Abendessen.
    Das Restaurant war eines jener Lokale, die im Stil der Zwanzigerjahre eingerichtet waren. Elektrisch betriebene Pseudo-Gaslampen, Sägemehl auf dem Boden, Kellner in weißen Jacketts und mit breitkrempigen Strohhüten auf dem Kopf. Dafür war das Essen gut. Ich verdrückte ein Steak, eine gebackene Kartoffel und eine Portion Rahmspinat. Vor dem Essen bestellte ich einen Bourbon auf Eis und danach schwarzen Kaffee. Der Kaffee wurde in einer kleinen Zinnkanne mit Holzgriff serviert. Was essen Mörder? Was trinken sie?
    In der Cleveland Press stand nichts von dem Mord. Es war eine wahre Fundgrube an Informationen über Cleveland, angefangen von Bränden und städtischer Korruption bis zu einer kleinen Kolumne mit dilettantischen Gedichten, bei deren Lektüre mir beinahe das Steak wieder hochkam. Hier und da konnte der Leser sogar feststellen, dass es außerhalb Clevelands auch eine Welt gab, in der – man höre und staune – auch noch etwas geschah. Etwas mit einer Rakete in Cape Canaveral, eine Revolution in Laos, und in Italien wurden Wahlen abgehalten. In New York war ein Mord geschehen, doch davon wusste die Cleveland Press nichts.
    Ich stopfte die Press in eine Abfalltonne und sah mich nach einem Zeitungsstand um, der sich herabließ, New Yorker Zeitungen anzubieten. Bei den meisten war das nicht der Fall. Aber dann fand ich einen und kaufte den Telegraph. Ich nahm sie mit ins Hotel und arbeitete sie durch.
    Es war ziemlich mühsam. Ich begann mit der Titelseite und las mich nach hinten weiter. Schließlich war ich auf Seite zweiundzwanzig, und da war auch die Story. Sie füllte sechs Absätze in der dritten Spalte, darüber eine zweizeilige, etwas dickere Überschrift, die lautete:
     
    MANN VOR SEINEM HAUS IN
    WESTCHESTER ERSCHOSSEN
     
    Laute Schüsse störten heute die Morgenruhe im Wohngebiet Cheshire Point, als fünf Kugeln aus einem fahrenden Auto einen angesehenen Importkaufmann wenige Schritte vor seiner Haustür zu Boden streckten.
    Das Opfer ist Lester Keith Brassard, 341 Roscommon Drive, ein zweiundfünfzigjähriger Importeur mit einem Büro in Lower Manhattan. Er wurde ermordet, als er sein Haus verließ und auf dem Weg zu seinem Büro war. Die Polizei hat einen gestohlenen Wagen sichergestellt, von dem aus der Mord wahrscheinlich begangen wurde. Der Wagen wurde nur wenige Straßen vom Schauplatz des Verbrechens entfernt aufgefunden.
    Mona Brassard, die Frau des Opfers, konnte keine Informationen hinsichtlich möglicher Motive für den Mord geben, der nach typischer Mafiamanier ausgeführt wurde. »Keith hatte auf der ganzen Welt keine Feinde« , sagte sie der Polizei und den Reportern. Sie gab zu, dass er in letzter Zeit nervös gewesen sei. »Aber das hatte etwas mit seinen Geschäften zu tun« , sagte sie. »Er hatte keine persönlichen Probleme. Keine, von denen ich gewusst hätte. «
    Arnold Schwerner, Detective bei der Polizei von Cheshire Point, bestätigte, dass die Tat sinnlos erscheine. »Vielleicht ist er versehentlich erschossen worden« , meinte er. »Jedenfalls sieht das Ganze nach einer Profitat aus. «
    Schwerners Feststellung bezieht sich auf die Mordmethode, einige tödliche Schüsse aus einem gestohlenen Wagen. Diese Methode wird seit Jahren von der Mafia praktiziert.
    Die Polizei von Cheshire Point arbeitet zur Aufklärung des Falles eng mit Detectives des Morddezernats von Manhattan-West zusammen.
     
    Der letzte Absatz enthielt die für mich wichtigsten Informationen. Wenn das Morddezernat von Manhattan-West eingeschaltet war, suchten die Bullen schon nach geschäftlichen Motiven für den Mord. Und das bedeutete, dass sie sich auf jeden Fall in seinem Büro umschauen

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