Abzocker
Mona immer noch, begehrte sie, brauchte sie immer noch. Selbst wenn ich das Geld hätte, wäre ich nichts ohne sie. Sie war es, die den Unterschied ausmachte. Sie war das neue Leben, das höhere Ziel, all dieser Scheiß.
Ich musste lachen. Auf einer Seite saßen ein Gesicht, ein Knall und fünf Extrakugeln, Mona und das Geld auf der anderen. Die Wahl war so leicht, so offensichtlich, dass es eigentlich gar keine Wahl war. Ich würde nach Miami fahren, und sie würde vier oder fünf Tage nach mir dort auftauchen.
Ich drückte die Zigarette aus und war froh, dass all der Unsinn damit erledigt war. Die Luft draußen war geschwängert von Industrieabgasen und menschlichem Schweiß. Ich quälte mich hindurch, fand eine Bar und bestellte mir einen Drink. Eine Hure saß dort und wartete darauf, dass ich sie mitnahm. Der Impuls war da, fast war ich bereit, dem Verlangen nachzugeben, nur um für ein paar magische Momente all die Anspannung loszuwerden. Ich sah sie an, und sie lächelte und zeigte mindestens dreiundfünfzig Zähne, von denen kein einziger echt war.
Sie war die Art von Frau, die gut aussieht, solange man ihr nicht zu nahe kommt. Ein harter, zäher Körper, der gut im Bett war. Ein Gesicht, das zugekleistert war mit allen Kosmetika, die der modernen Frau bekannt sind. Billige Kleider, aufgetakelt wie ein Flittchen. Ich erinnerte mich an die Worte von Kipling: I’ve a neater, sweeter maiden in a cleaner, greener land.
Ich wandte mich von ihr ab und konzentrierte mich auf den Drink. Ich leerte das Glas, nahm mein Wechselgeld und ließ Mandalay in der Bar sitzen. Ich überlegte, ob ich ins Kino gehen sollte, doch ich hatte nicht den Nerv, mir einen ganzen Film anzusehen. Man kann im Kino gut die Zeit totschlagen, aber irgendwann war Schluss. Vielleicht würde ich wirklich einmal eines Tages ins Kino gehen, nur weil ich einen Film sehen wollte. Vielleicht würde ich mir den verdammten Film dann sogar wirklich anschauen.
Aber so weit war ich noch nicht.
Ich schlenderte eine Weile durch die Gegend, vielleicht insgesamt eine halbe Stunde lang. Ich ging an Kinos vorbei und an Bars, in die mich nichts hineinzog. Ich kam an der Greyhound-Station vorbei, und wieder überkam mich der Impuls, in den erstbesten Bus zu steigen und irgendwohin zu fahren. Mit meinem Glück hätte er mich wahrscheinlich direkt nach New York gebracht.
Ich spazierte weiter. Dann wurde mir klar, dass ich erstens hundemüde war und zweitens hier draußen überhaupt nichts verloren hatte. Vernünftigerweise sollte ich zurück ins Hotel gehen und mich aufs Ohr hauen. Aber ich wusste instinktiv, dass ich stundenlang nicht würde einschlafen können. Schließlich hatte ich gerade erst einen Mord hinter mich gebracht. Man tut alles Mögliche nach einem Mord, aber man schläft am Abend danach nicht einfach problemlos ein. Es war also nur logisch, dass ich, weil dies schließlich mein allererster Mord gewesen war, erst bei Sonneraufgang an so etwas wie Schlaf würde denken können.
Ich beschloss, auf die Logik zu pfeifen. Der schläfrige Portier warf mir den Zimmerschlüssel hin, und der schläfrige Liftboy brachte mich hoch in mein Stockwerk. Ich spürte eine gewisse Verbundenheit mit den beiden. Ich zog mich aus, wusch mich und kroch unter die Decke.
Ich fing an, Schäfchen zu zählen. Die Schäfchen waren kleine, nackte Monas, und sie sahen überhaupt nicht wie Schafe aus. Sie waren nur an ein paar Stellen wollig, und sie waren auch kaum wie Schafe gebaut. Und sie sprangen nicht über einen Zaun. Stattdessen sprangen sie vergnügt über eine Leiche. Dreimal dürfen Sie raten, wer die Leiche war.
Als die vierte Mona über die Leiche sprang, hatte ich meine Schlaflosigkeit überwunden. Ich schlief wie eine Leiche, und über mich sprang niemand.
10
Ich hatte es auf die Titelseite der Times geschafft. Nicht die Titelstory, die sich mit den Beleidigungen beschäftigte, die ein Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen einem anderen Mitglied an den Kopf geworfen hatte. Nicht einmal die zweite Titelstory, die sich mit einer neuen Erfindung im Problembereich der städtischen Korruption befasste. Doch für die Verhältnisse der Times hatte ich einen großen Aufreißer bekommen: sechzig Zeilen Text, zweispaltig, am linken Rand von Seite eins. Das entspricht ungefähr der Größe einer Titelschlagzeile in der News oder im Mirror, in die ich es, wie ich später herausfand, auch geschafft hatte.
Die Schlagzeile des Artikels in der Times
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