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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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würden. Ich konnte nicht davon ausgehen, dass sie das Heroin fanden, aber die Chancen standen gut. Die Jungs vom Morddezernat Manhattan-West waren alles andere als von gestern.
    Ich las die Stelle noch einmal, in der Mona zitiert wurde, und musste unwillkürlich grinsen. Sie hatte es ausgezeichnet gemacht und gerade den richtigen Ton gefunden. Keith hatte auf der ganzen Welt keine Feinde – außer seiner reizenden Gattin und ihrem Geliebten. Er schien in letzter Zeit nervös. Aber das hatte mit seinen Geschäften zu tun. Persönliche Probleme hatte er nicht. Keine, von denen ich gewusst hätte.
    Genau der richtige Ton. Sie hatte nicht versucht, ihnen irgendetwas zu erklären, sondern nur ein paar Hinweise gegeben und es dann ihnen überlassen, daraus Folgerungen zu ziehen. Ich hatte den Job richtig vorbereitet. Ein Mord nach Mafiamanier. Sie hatte richtig reagiert. Das Heroin war die nächste Stufe in unserem Plan. Wenn sie es fanden, war der Fall gelöst. Damit bekamen die Bullen ein prächtiges Motiv für einen Mord im Mafiamilieu. Was, zum Teufel, sollte es denn sonst sein?
    Ich legte die Zeitung zusammen und warf sie in den Papierkorb. Dann steckte ich mir eine Zigarette an und setzte mich in einen der Sessel. Ich wollte Pläne machen, aber das war nicht leicht. Ich sah immer noch diesen Blick völliger Fassungslosigkeit im Gesicht von Lester Keith Brassard. Ich hatte nicht gewusst, dass er Lester hieß. Es erklärte, warum er Keith vorzog. Kein normaler Mensch ließ sich freiwillig mit Lester anreden.
    Ich sah sein Gesicht vor mir und hörte den Schuss. Und dann sah ich mich selbst, über den Beifahrersitz des schwarzen Fords gebeugt, Kugeln in eine Leiche pumpend. Den Zeitungen nach war die Polizei der Meinung, der Wagen hätte sich im Augenblick des Mordes in Fahrt befunden. Meinetwegen. Das bedeutete, sie gingen von zwei Killern aus: einer, der schoss, während der andere am Steuer saß. Das Labor konnte wahrscheinlich feststellen, dass der Mord sich nicht so abgespielt hatte, aber wenn der Bericht vorlag, spielte das keine Rolle mehr. Im Augenblick sollten sie ruhig nach zwei Killern suchen. Oder nach fünf. Nach einer ganzen Einheit von Killern.
    Das Gesicht und der Schuss und dieser Akt vorsätzlicher Dummheit. Sie zogen an mir vorbei, und vielleicht war es ja das, was man als Schuld bezeichnete. Nicht Reue über die Tat, nicht das Gefühl, dass sie moralisch falsch war, nicht einmal die Angst vor Strafe, sondern eine tiefe Abscheu vor gewissen Erinnerungen an den Mord, gewisse sinnliche Eindrücke, die sich nicht vertreiben ließen.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Brutus den Mord an Cäsar bereute. Ich glaube nicht, dass er die Tat für moralisch falsch hielt. Aber ich bin überzeugt, dass die Worte Et tu, Brute? ihn verfolgten, bis er in das Schwert rannte, das Strato für ihn hielt. Diese Worte waren es, die ihn quälten, ebenso wie das Blut Macbeth und seine gute Frau.
    Ich steckte mir noch eine Zigarette an und versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Es fiel mir nicht leicht.
    Nach unserem Plan würde sie eine Woche oder zehn Tage nach dem Mord Richtung Miami abreisen. Heute war Mittwoch, Mittwochabend. Nächste Woche Samstag würde sie im Eden Roc sein. Ich hatte ihr versprochen, dass ich vor ihr dort war. Ich konnte jederzeit abreisen.
    Das Komische war, dass ich eigentlich gar nicht nach Miami wollte. Ich war eine Maschine gewesen, gut geölt und perfekt für den Mord vorbereitet. Aber jetzt, da es vorbei war, kam ich mir funktionslos vor. Ich hatte es hinter mir. Was folgte, war der leichtere Teil, aber damit wollte ich mit einem Mal nichts mehr zu tun haben. Ein eigenartiger Gedanke ging mir nicht aus dem Kopf. Ich hatte noch mehr als fünfhundert Dollar. Ich konnte die Koffer packen und abhauen, eine neue Stadt finden, dort mit der Kohle neu anfangen. Ich konnte diese wunderschöne Frau und ihr ganzes Geld vergessen.
    Und das Gesicht und den Knall und die fünf sinnlosen Kugeln.
    Es war eine emotionale Reaktion auf Mord, es waren keine vernünftigen, keine logischen Überlegungen. Es war nicht logisch, denn dann hätte ich L. Keith Brassard für nichts und wieder nichts getötet. Die Beute gehörte dem Sieger. Ich hatte gewonnen, und jetzt waren Brassards Frau und Brassards Geld mein. Beide waren erstrebenswert. Nur ein Idiot würde sie jetzt ausschlagen.
    Und wenn ich mir alle emotionalen Aspekte meiner Situation genau durch den Kopf gehen ließ, kam dasselbe heraus. Ich liebte

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