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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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fürchtete er beim Aufwachen, etwas sei fürchterlich falsch, doch im Laufe der Jahre lernte er, damit zu leben. Vielleicht musste das ja so sein.
    Sprotte – ja, so hieß er jetzt, und es gab keinen Grund, häufiger zu dem verängstigten Kind zurückzukehren als unbedingt notwendig – öffnete das kleine Schloss der Truhe und kippte den Inhalt auf Dovians Bett, ein gleitender Schwall Goldmünzen. Der große Mann starrte sie an, fuhr mit den Fingern darüber, wog sie auf der flachen Hand. Flüsternd stieß er hervor, das sei genau das, was sie gebraucht hätten. Damit könnten sie für alles aufkommen …
    Dovian nahm einen Gegenstand zwischen die Finger und hielt ihn in einen Sonnenstrahl, der durch ein Wandloch fiel. Er war aus Gold – oder jedenfalls goldfarben, wenngleich er für dieses weiche Edelmetall eigentlich zu fein gearbeitet und zu scharfkantig war. Die Form war ungewöhnlich. Das Ding war so dick wie eine große Münze, annähernd quadratisch, an einem Ende mit einem Wulst versehen und mit Zeichen bedeckt, die Schriftzeichen sein mochten, jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit einer der bekannten Sprachen aufwiesen. In der Mitte war ein längliches Loch.
    Sprotte hatte das Artefakt bisher nicht bemerkt. »Was ist das?«
    Dovian überlegte eine Weile. Sprotte konnte fast sehen, wie er in seinem Gedächtnis forschte, eine im Laufe eines langen Lebens zusammengetragene Sammlung von Kostbarkeiten, geschätzt und mit einem Preis versehen. »Ich habe keine Ahnung«, räumte er schließlich ein. »Aber das Ding ist hübsch.« Er drückte es Sprotte an die Brust. »Hier. Trag es um den Hals. Solltest du mal in Schwierigkeiten geraten und schnell viel Geld brauchen, kannst du es einschmelzen und Münzen daraus prägen. Es gehört dir. Das ist mehr als genug für das, was wir geplant haben. Bring mir mal die Karten und schau sie dir an.«
    Sprotte breitete die vertrauten Karten auf der Decke aus und nahm auf der Bettkante Platz. Er liebte diese Momente, wenn Val seine Gebrechen zu vergessen schien und sie sich wie Vater und Sohn in Gedankenspielen verloren, draufgängerische Pläne schmiedeten und sich eine kühne Welt erträumten. In vielerlei Hinsicht war Sprotte noch immer der Junge, der Dariel gewesen war. Er ahnte noch nicht, wie sehr sich das bald ändern sollte.

31

    Es gab eine talayische Akazie, die Thaddeus bis in seine Träume verfolgen sollte. Sie stand einzeln auf einer Ebene, wie ein alter, schwarzhäutiger Mann, und neigte sich ein wenig zur Seite, als sei sie gebrechlich. Sie war gefährlich dünn, die Äste dürr und krumm und so spärlich belaubt, dass Thaddeus sich nicht sicher war, dass sie noch lebte, bis er direkt unter ihr stand. Akazien waren zäh. Sie wuchsen langsam, durch Dornen vor Feinden geschützt und unempfindlich gegenüber den Launen des Wetters. Vielleicht hätte darin etwas Tröstliches liegen können, doch wenn dem so war, konnte Thaddeus es nicht erkennen. In diesem Land gab es keinen Trost für ihn. Niemals hatte ihn die stumme, gewaltige Pracht einer Landschaft mehr bedrückt als jetzt, da er im kargen Schatten des Baumes stand. Die Erdkrümmung schien hier geringer zu sein, die Entfernungen größer, die Umrisse der Hügel dort draußen wuchtiger. Das Himmelsgewölbe war in Talay höher als irgendwo sonst. Es war unermesslich und wurde von brodelnden weißen Wolken getragen, wie die Säulen eines gewaltigen Tempels. Wohin er auch blickte – über oder unter ihm, im Norden, Süden, Westen oder Osten, in die Nähe oder in die Ferne -, überall bewegten sich Geschöpfe, die auftauchten und wieder verschwanden. Er vermochte sie nicht alle zu zählen, zu benennen oder einzuordnen, verdächtigte jedoch jedes von ihnen, ihm nachzuspionieren.
    Von den fünf Provinzen des ehemaligen Acacischen Reichs war keine komplexer und wichtiger als Talay. Seine Fläche entsprach der von Candovia, Senival, dem Festland und Aushenia zusammengenommen. Das Land erstreckte sich in sonnengedörrten Erdfalten weit nach Süden, auf keiner Karte verzeichnete Regionen, so groß, dass die Acacier sie während ihrer ganzen zweiundzwanzig Generationen währenden Herrschaft niemals alle kartographiert hatten. In einem Großteil des Landes fiel niemals Regen. Obwohl das ganze Land den Namen eines bestimmten Stammes trug, waren die Talayen nur ein besonders begünstigtes Volk unter vielen. Manche Menschen hatten behauptet, Edifus sei der Abstammung nach ein Talaye gewesen, obwohl er selbst dergleichen nie

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