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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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auch bemühte, selbst daran zu glauben, es gelang ihm nicht. Jedenfalls nicht vollständig. Es war vielmehr so, dass er mit seinen Erinnerungen an die Zeit vor Dovian nichts anfangen konnte. Alles kam ihm irgendwie verschwommen vor. Schon der Gedanke an seine Kindheit schien ihn zu schwächen. Diese Zeit zerrte mit einer Melancholie an ihm, die in seinem Leben sonst völlig fehlte. Wenn er es sich gestattete, an damals zurückzudenken, als er noch Dariel Akaran gewesen war, dann wollte er an seine Flucht denken und daran, wie Val ihn gerettet hatte.
    Kidnaban hatte er in Begleitung eines Mannes verlassen, der sich als »Beschützer« bezeichnete. Dieser Soldat hatte Dariel eines Morgens aus dem Schlaf geweckt und auf den Armen fortgetragen. Im Gehen hatte er ihm erklärt, wer er sei, doch Dariel war noch zu benommen gewesen und konnte sich später nicht mehr erinnern, womit der Mann ihn beschwichtigt hatte. Von Crall aus segelten sie in wenigen Stunden zum Festland und waren anschließend zwei Tage auf den Beinen. Am dritten Tag kaufte der Mann ein Pony für Dariel, denn der Junge war völlig erschöpft gewesen und hatte Blasen an den Füßen. Ständig war er den Tränen nahe, fragte nach seinen Geschwistern und bettelte den Soldaten an, ihn zu seinem Bruder und seinen Schwestern zu bringen oder nach Hause. Der Beschützer war nicht unfreundlich gewesen, verstand sich aber nicht auf Kinder und hatte den Jungen häufig so entgeistert angestarrt, als hätte er noch nie einen Menschen weinen sehen und könnte beim besten Willen nicht verstehen, was es mit dieser Verschwendung von Körperflüssigkeit auf sich habe.
    Der Mann sagte ihm, sein Vater habe Vorsorge getroffen, ihn bei einem Freund in Senival unterzubringen. Wenn sie erst einmal dort wären, hätte sein Martyrium ein Ende. Dann wäre er in Sicherheit, und alles würde erklärt werden. Sie wandten sich nach Norden und wanderten mehrere Tage lang durch eine verwüstete Landschaft, die jener in der Nähe der Bergwerke am Kap Fallon glich. Sie sahen mit Gruben übersäte Berghänge, ganze Landstriche, die von Menschenhand verunstaltet worden waren. Dies, so erklärte der Beschützer, seien die senivalischen Minen. Überall liefen staubbedeckte Arbeiter herum, überwiegend Männer und Jungen, doch es waren auch Frauen und Mädchen darunter. Alle trugen die Lumpen ihrer Zunft und wirkten geschäftig, wenngleich sie ihre übliche Arbeit eher vernachlässigten. Dariel hörte, wie sie einander wilde Gerüchte und Neuigkeiten zuriefen, auf die er sich keinen Reim machen konnte, nur, dass es alles schlechte Nachrichten zu sein schienen.
    Von diesem Ort und dessen Bedeutung für das Reich seines Vaters hatte Dariel noch nie gehört, doch als sein Beschützer die vom Sonnenuntergang rot gefärbte Szenerie betrachtete, sagte er: »Was für eine Hölle haben wir hier geschaffen. Eine Hölle mit einer goldenen Krone, die sich …« Dariel erinnerte sich, dass der Mann innegehalten und gemeint hatte, sie sollten machen, dass sie weiterkämen. Sie hätten ihr Ziel fast erreicht.
    Als sie über einen Serpentinenweg in das Bergdorf gelangten, in das Dariel gebracht werden sollte, blieb sein Beschützer stehen. »Was ist denn hier los?«, sagte er.
    Das Dorf lag in einem flachen Tal. Einen Augenblick lang fand Dariel, dass es hübsch aussah, doch dann bemerkte er, wie still es war. Die Straßen waren menschenleer. Auf den Feldern waren weder Tiere noch Bauern zu sehen. Aus den Schornsteinen kam kein Rauch. »Hier stimmt etwas nicht«, sagte der Beschützer. Dariel konnte ihm nicht widersprechen.
    Er erfuhr nie, was mit den Dorfbewohnern geschehen war. Sie waren spurlos verschwunden, und der Beschützer konnte den Mann, mit dem er sich treffen sollte, nicht finden. Er setzte sich auf einen Holzschemel und ließ den Blick über die Szenerie wandern, dann legte er den Kopf in die Hände. Dariel kam es so vor, als ob er stundenlang in dieser Haltung verharrte. Er stand in der Nähe und hielt die Zügel, während das Pony das saftige Berggras rupfte.
    Als der Beschützer den Kopf hob, hatte er einen Entschluss gefasst. Er erklärte, er würde zum nächsten Dorf reiten. Es liege gut einen Tagesritt im Westen. Wenn er jetzt aufbreche, könnte er es bei Sonnenaufgang erreichen, und wenn er dort in Erfahrung gebracht habe, was er wissen wolle, werde er morgen gegen Abend wieder zurück sein. Vielleicht suche ja jemand nach ihm. Es wäre am Besten, wenn der Beschützer sich ein Bild von der

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