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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Sangae.
    Die Unruhe, mit der Sangaes Antwort Thaddeus erfüllte, dauerte drei Tage an. Wäre es nicht grausam, dachte er, wenn der Prinz sterben sollte, bevor ich ihn aufgefordert habe, sich seiner Bestimmung zu stellen?
    Seine Sorge erwies sich jedoch als unbegründet. Als Aliver zurückkehrte, geschah es unter lautem Jubel, der nur einen Triumph bedeuten konnte. Thaddeus stand in dem kleinen Zimmer, das Sangae ihm überlassen hatte, und beobachtete das Geschehen durch ein Fenster, dessen Klappe von einem Stock offen gehalten wurde. Der Tumult schwarzer Leiber war gewaltig. Sie wimmelten wie ein Fischschwarm durch die Gassen, jeder ließ alles stehen und liegen, als sie von der Rückkehr des Jägers erfuhren. Es schienen nicht nur die Dorfbewohner zu sein. Wo waren sie alle hergekommen? Thaddeus hätte sich ihnen beinahe angeschlossen, hielt es aber für geraten, sich einstweilen noch nicht blicken zu lassen und weiter aus dem Verborgenen zu beobachten.
    Die ausgelassene Menge wimmelte um eine Art Wagen, ein Karren, von mehreren Männern gezogen, ein so großes Fahrzeug, dass normalerweise einer der gehörnten Ochsen davorgespannt werden würde, die den Dorfbewohnern dazu dienten, schwere Lasten zu befördern. Jetzt aber hatten Männer die Zugstangen mit bloßen Händen gepackt. Thaddeus konnte nicht genau erkennen, was darauf lag, bis der Karren unmittelbar an der Hütte vorbeikam. Obwohl er noch ein ganzes Stück entfernt war, wich Thaddeus unwillkürlich einen Schritt zurück. Es war eine Bestie, ein totes Geschöpf, das so groß war, dass er sich zunächst fragte, ob dort mehrere Tiere übereinandergestapelt waren. Die langen Gliedmaßen erinnerten an einen Wolf, der dicke Hals an einen Hund, die Schnauze an einen Keiler; und doch war es ganz etwas anderes. Die Haut unter dem schütteren Fell war violett, eine trockene, vernarbte Oberfläche, die sich stellenweise schälte. Es war grauenerregend, ein Ungeheuer. Wie hatte Aliver ein solches Wesen allein mit einem Speer töten können? Es erschien kaum möglich.
    Ein kleiner Junge kletterte auf den Wagen und zupfte an den Ohren des Tieres. Mehrere andere packten das Halsfell und rissen den Kopf hierhin und dorthin, was den Dorfbewohnern lautes Gebrüll entlockte. Ein anderer stemmte sich auf den Unterkiefer, öffnete das Maul und machte Anstalten, den Kopf hineinzustecken. Dann aber überlegte er es sich doch anders und sprang in übertriebener Angst vom Wagen, was noch größere Heiterkeit hervorrief.
    Der Empfang des Jägers indes stellte dies alles noch in den Schatten. Er war leicht zu erkennen. Wie ein zum Leben erwachter Recke der Vorzeit, der die Huldigung des Volkes entgegennahm, schritt er durch das Gewühl. Oder wie der Geist dieses Recken, wie eine blassere Ausgabe der ihn umwimmelnden Menschen. Er drängte sich durch Arme, die ihm auf die Schultern klopften, Gesichter, die sich ihm entgegendrängten; jeder hatte ihm etwas zu sagen, so viele weiße Zähne blitzten um ihn herum. Einen eigenartigen Moment lang sahen sie aus wie Geschöpfe, die auf ihn eindrangen, um ihn zu beißen, doch Thaddeus war klar, dass dies nur eine verschrobene Sichtweise seiner eigenen Augen war und nicht das, was sich dort abspielte.
    Thaddeus war verblüfft, wie groß Aliver geworden war. Er war einen ganzen Kopf größer als sein Vater. Unter der sengenden Sonne hatte seine Haut die Farbe geölten Leders angenommen, wenngleich sie im Vergleich zu den Talayen immer noch hell wirkte. Sein Oberkörper war nackt. Die Stränge seiner Muskeln traten als klare, gut proportionierte Linien hervor. In dem welligen Haar waren blonde Strähnen zu sehen, die es viel heller erscheinen ließen, als es in Acacia jemals gewesen wäre. Deswegen hätte er hier im Süden Talays eigentlich fehl am Platze wirken müssen. Und doch machte er den Eindruck, als fühle er sich hier vollkommen zu Hause. Er war ein sehniger Mann, sonnengebräunt, muskulös und hart, und auf die überschäumende, absurde Art junger Menschen stark. Um den linken Oberarm trug er den goldenen Ring, das Tuvey-Band, als wäre es ein Teil von ihm und sei schon immer dort gewesen. Lächelnd nahm er die Begeisterung der Dorfbewohner zur Kenntnis, antwortete freundlich und ohne jede Herablassung auf die Bemerkungen, die ihm zugerufen wurden.
    Einen Augenblick lang fragte sich Thaddeus, warum er in seinem Gesicht eine Spur von Verlegenheit sah, ob er das Tier vielleicht gar nicht eigenhändig erlegt hatte. Viele acacische Edelleute

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