Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
mein Kommen nicht nur angekündigt, sie haben es befohlen.«
    Der Priester verzog die Lippen, zwei schmale Striche aus rissiger, sich schälender Haut. Sein Gesicht war von jener Leichenblässe, die die Männer seines Ordens bevorzugten. Das strohblonde Haar hatte er so sehr ausgedünnt, dass der blanke Schädel hindurchschimmerte. Mit den eingefallenen Wangen hatte er große Ähnlichkeit mit den mumifizierten Überresten der Ahnen, denen er diente. »Ja«, erwiderte er, »aber Hanish hat sich Zeit gelassen, bis er dich geschickt hat. Neun Jahre. Eine absurde Verzögerung …«
    »Es gab so viel, worum man sich kümmern musste.«
    »Eine absurde Verzögerung «, wiederholte der Priester und betonte das letzte Wort, als sei er sich nicht sicher, ob Haleeven es verstanden habe. »Dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich werde Hanish mein Missfallen kundtun, verlass dich darauf.« Er wandte sich ab und musterte mit kaltem Blick die sich nähernde Menschenschar. »Sind das unsere Arbeiter?«
    »Fünfzigtausend«, antwortete Haleeven. »Auf ein paar hundert mehr oder weniger.«
    »Du hast südländische Fremde mitgebracht?«, fragte der Priester und kniff die Augen zusammen.
    Haleeven hatte mit der Frage gerechnet. »Ja, aber nur um das Gepäck und die Vorräte zu tragen. Um die Straße instand zu setzen und für die zahllosen anderen Aufgaben, die vor uns liegen. Die Ahnen oder heilige Gegenstände werden sie nicht anrühren.« Der Erste Priester musterte ihn forschend, gänzlich unbeeindruckt von seiner Zusicherung. Haleeven setzte hinzu: »Ich hoffe, du wirst die Arbeiten persönlich überwachen und dafür Sorge tragen, dass die Fremden nichts entweihen und die Ahnen nicht beleidigen. Aber es ist doch durchaus angemessen, dass die Acacier sich für die Tunishni schinden, findest du nicht?«
    Der Priester behielt seine Meinung dazu für sich, erhob aber keine weiteren Einwände.
    Später am Abend schritt Haleeven durch einen von Fackeln erhellten Gang auf die unterirdische Kammer zu, in der seine Ahnen ruhten. Er war bereits mit den übrigen Priestern zusammengetroffen, hatte den wenigen Edelleuten, die noch in Tahalia lebten, Geschenke überreicht und den Calathfels aufgesucht. Dort hatte er einer schwachen Vorführung junger Soldaten beigewohnt. Der gewaltige Raum war noch immer ein hölzernes Wunderwerk, doch er war dazu gedacht, viel mehr Menschen zu beherbergen, kräftige, langhaarige Männer – und keine schmalschultrigen Kinder, die vom Krieg bislang nur geträumt hatten. Die Menschen hießen ihn freundlich willkommen und versuchten, ihn mit ihrem standhaften Festhalten an den alten Bräuchen zu beeindrucken. Doch irgendetwas an ihrem fieberhaften Bemühen machte ihn traurig, genau wie die fast leeren Gänge, durch die er wandelte und in denen er immer wieder an Menschen erinnerte wurde, die entweder tot waren oder fern von Tahalia lebten. Es kam nicht oft vor, dass er missbilligend an Hanish dachte. Was jedoch den Erhalt der heimatlichen Festung betraf, war der junge Häuptling nachlässig geworden.
    Vor der Tür der Ahnenkammer blieb Haleeven stehen, um sich zu sammeln. Sein Herz schien unregelmäßig zu schlagen. Seine Beine waren steif und schmerzten, etwas, das ihm erst jetzt auffiel. Er wurde alt, und er war müde. Gleichzeitig verspürte er eine kribbelnde Erregung. Hunderte von Meilen war er geritten, um zu diesem Ort zu gelangen. Er hatte sich diesen Moment immer wieder ausgemalt. Er stemmte sich gegen die Tür und fühlte, wie sie nachgab. Dann trat er ein, kniete am Rande der Kammer nieder und drückte die Stirn auf die kalten Steinplatten. So verharrte er so lange, bis sich die kalte Berührung allmählich wie Hitze anfühlte. Erst dann richtete er sich auf und hob den Blick.
    Beim Anblick der von bläulichem, diffusem Licht erhellten Szenerie bekam Haleeven eine Gänsehaut. Über ihm ragte ein Zylinder empor, in den übereinandergestapelte Vorsprünge eingelassen waren. Reihe um Reihe, Schicht um Schicht ragten sie alle aus der Erdwand hervor, gleichmäßig angeordnet wie ein gewaltiger Bienenstock mit Hunderten von Waben. Direkt über ihm war der Raum vielleicht hundert Schichten hoch, doch dies war nur ein Alkoven. Vor ihm öffnete sich ein weiterer, und dahinter lagen noch einer und noch einer. Jeder der schattenhaften Umrisse war ein einbalsamierter Leichnam, eine ausgetrocknete Hülle, die einmal ein Mein gewesen war, in Gaze eingewickelt und sowohl durch die Kunstfertigkeit der Priester als

Weitere Kostenlose Bücher