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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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nannte und behauptete, sie und ihre Familie zu kennen, Zutritt zum Innenhof ihrer Unterkunft gewährt. Das hatte sie noch keinem Mann erlaubt. Dergleichen war der Maeben-Priesterin verboten, und noch gestern wäre es ihr unvorstellbar erschienen. Doch in der Gesellschaft dieses Mannes geschah Unglaubliches. Sie saßen gemeinsam auf dem festgestampften Erdboden. Ihre Diener, verschreckt von der Gegenwart des Fremden, warteten am Rand des Hofes, bereit, augenblicklich vorzustürzen. Mena starrte den jungen Mann nur an. Von ihrem Schweigen ermutigt, holte er zu einem weitschweifigen Vortrag aus.
    Er sprach Acacisch, daher wusste Mena, dass ihre Diener kein Wort verstehen würden. Was sie verblüffte, war, dass sie selbst ihn verstand. Sie saß da und entdeckte die Fülle ihre Muttersprache in einem einzigen langen Eintauchen von neuem. Immer wieder verweilte sie bei einem bestimmten Wort. Sie wälzte es im Kopf herum, fühlte seine Konturen. Bisweilen öffnete sie den Mund und bewegte die Lippen, als trinke sie Melios Worte.
    Er war in Acacia Soldat gewesen, ein junger Marah, der den ersten Großangriff auf das Reich seit vielen, vielen Generationen erlebt hatte. Was er im Krieg durchlitten hatte, war schrecklich gewesen. Mit Ausnahme seines Lebens hatte er alles verloren, was ein Mensch verlieren konnte. Die meisten Menschen, die ihm etwas bedeutet hatten, waren entweder umgekommen oder versklavt worden, oder sie hatten ihr Land an die neuen Herren verraten. Er hatte fest an die Überlegenheit Acacias geglaubt, und es erstaunte ihn noch immer, wie mühelos Hanish Mein die militärische Macht des Reiches gebrochen hatte.
    Bei einem der kleinen Geplänkel nach der Katastrophe von Alecia war er verwundet worden. Während des kläglichen Rückzugs war er am Fieber erkrankt. Als er wieder genesen war, hatte sich die Welt grundlegend gewandelt. Er sei so niedergeschlagen gewesen, erklärte er, dass er jetzt nicht vor ihr säße, wenn der Wille allein zum Sterben ausreichen würde. Er hätte sich sogar eigenhändig das Leben genommen, wäre eine solche Tat für einen Soldaten nicht undenkbar gewesen. Zunächst schloss er sich dem Widerstand in Aushenia an, in der Absicht, einen ehrenvollen Tod zu finden. Doch auch das gelang ihm nicht.
    Schließlich wurde er durch die Macht der Gerüchte von seiner Todessehnsucht erlöst. Eines Abends vertraute ihm ein Teh-Söldner im Rausch an, die Akaran-Kinder seien in Sicherheit gebracht worden. Der Mann konnte seine Behauptung zwar nicht beweisen, doch seinen Ausführungen wohnte eine unbestreitbare Logik inne. Nur Corinn sei gefangen genommen worden, nicht wahr? Der Umstand, dass Hanish sie zur Schau stelle, lasse die Abwesenheit der anderen Kinder umso auffälliger erscheinen. Wäre er ihrer habhaft geworden, hätte er sie doch ebenfalls der Öffentlichkeit präsentiert, oder nicht? Und könne andererseits jemand beweisen, dass sie umgekommen seien? Habe jemand ihre Leichen oder ihre Köpfe vorzeigen können? Hätten die Mein je eine Erklärung abgegeben, die Aufschluss über das Schicksal der Akaran gegeben habe? Die Antworten lägen auf der Hand, und damit ergäben sich neue Möglichkeiten. Die einfachste – und die, an die Melio sich klammerte – war, dass das Akaran-Geschlecht, wenn es nicht ausgelöscht worden war, die Macht zurückerobern könne.
    Er beschloss, alles zu tun, um am Leben zu bleiben, und darauf zu warten, dass die Gerüchte sich als wahr erwiesen. Seit drei Jahren hatte er für die Schwimmenden Händler gearbeitet. Ihre Route folgte den jahreszeitlich bedingten Strömungen, die im Innenmeer zirkulierten. Dreimal hatte es ihn also bis auf die Vumu-Inseln verschlagen, mit denen die Kaufleute Handel trieben. Er war nie lange dort geblieben und hatte niemals die Maeben-Priesterin zu Gesicht bekommen. Was für ein Glück, dass er sie gefunden hatte. Sie war am Leben! Also gab es allen Grund, zu glauben, dass auch Dariel noch lebte. Und gewiss lebte Aliver noch und plante bereits seine Rückkehr an die Macht. Die Gerüchte entsprechen der Wahrheit, und Melio dankte dem Schöpfer dafür, dass er nicht gestorben war, ehe er das herausgefunden hatte.
    Als der Morgen dämmerte, schickte Mena ihn fort. Sie versprach ihm nichts, gab nichts zu, ließ sich nicht anmerken, welche Wirkung er auf sie gehabt hatte. Als der Tag anbrach, heiß und hell wie immer, lag sie auf ihrem Bett. In ihrem Kopf herrschte eine erstaunliche Leere. Eigentlich hätte sie erfüllt sein müssen von

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