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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Ängsten und Zweifeln, von wiedererwachten Erinnerungen und Fragen. Doch sie konnte einfach keinen Gedanken lange genug fassen, um sich über seine Bedeutung klar zu werden. Sie lag da, bis ihr Diener sie warnte, es sei bereits Nachmittag. Da erhob sie sich und tat ihre Pflicht als Priesterin.
    Am Abend traf sie den Acacier an derselben Stelle an wie am Abend zuvor. Abermals nahm sie ihn mit in den Innenhof, setzte sich und hörte ihm zu. Als sie ihn Stunden später fortschickte, hatte sie ihm noch immer nichts versprochen. Sie hatte keine Zugeständnisse gemacht, hatte nicht zu erkennen gegeben, was sie von seinen Erzählungen hielt. Sie verschlief den Vormittag, erwachte von der Mittagshitze, starrte an die Decke und lauschte auf das Rascheln der Eidechsen, die im Dachstroh Insekten jagten. Melio hatte ein Allerweltsgesicht, fand sie. In keiner Weise bemerkenswert, und doch wollte sie es aus irgendeinem Grund sehr gern wiedersehen.
    Am nächsten Abend erwartete er sie am Tor zu ihrem Quartier. Als sie auftauchte, stand er auf, nannte sie »Prinzessin!« und trat auf ihr einladendes Kopfnicken hin ein. Als sie einander in der gleichen Haltung wie am Abend zuvor gegenübersaßen, setzte der junge Mann seinen Bericht fort. Es war erstaunlich, dass er immer noch Neues zu erzählen wusste. Er meinte, er habe gehört, dass die Agenten des Prinzen im Land unterwegs seien und sich heimlich bemühten, die verschiedenen Widerstandsgruppen zu vereinen. Im Bergwerk von Kidnaban habe es sogar einen Aufstand gegeben, angeführt von einem Propheten, der behauptete, von Alivers Rückkehr geträumt zu haben. Nach seinen Worten werde Aliver seine Geschwister schon bald auffordern, ihre Armeen zu vereinigen. Und viele glaubten ihm.
    Mena hörte sich das alles aufmerksam an. Sie verbrachte auch einige Zeit damit, sich zu vergewissern, dass sein Gesicht in der Tat nicht bemerkenswert war, und musterte es genau, um sicher zu sein. Das lange, ungekämmte Haar fiel ihm immer wieder in die Augen, sodass er es zurückwerfen musste. Er hatte braune, nicht besonders auffällige Augen, und wenn er lächelte, sah man seine vorstehenden Zähne. Aus einem bestimmten Blickwinkel hatte er Pausbacken: durchschnittlich in jeder Hinsicht. Kein unansehnliches Gesicht, aber es wirkte auch nicht sonderlich edel, energisch oder weise. Also hatte ihr erster Eindruck sie nicht getäuscht. Es schien eigenartig, dass sein Aussehen sie überhaupt beschäftigt hatte.
    Nachdem dieser Punkt geklärt war, unterbrach Mena ihn. »Ihr sagt, ein Prophet aus dem Bergwerk habe von Aliver geträumt. Hat der Prophet auch gesagt, wie er aussieht? Hat er sein Gesicht beschrieben oder seine Sprechweise charakterisiert? Wusste er, was für ein Mensch Aliver ist? Mein Bruder hat die Gruben nie aus der Nähe gesehen; wie kann jemand, der dort lebt, so viel über ihn wissen?«
    Es war schwer zu sagen, ob Melios Verblüffung auf ihre Fragen zurückzuführen war oder darauf, dass sie so viele Sätze aneinandergereiht hatte. Während sein Blick eben noch hin und her gewandert war, richtete er sich nun auf Mena. »Ich weiß nicht, woher die Gabe eines Propheten rührt«, sagte er, »doch ich glaube, an der Sache ist etwas dran. Außerdem glaube ich, dass Euer Bruder über Kräfte verfügt, von denen er bislang selbst noch nichts weiß. Das habe ich früher schon gedacht, sogar als wir noch Knaben waren. Für die meisten Menschen ist er ein Symbol. Nur die wenigsten Menschen der Bekannten Welt haben Euren Bruder je zu Gesicht bekommen, aber alle kennen seinen Namen. Jeder macht sich sein eigenes Bild von ihm. Er weckt Hoffnung in einer Zeit, in der die Menschen verzweifelt der Hoffnung bedürfen. Vielleicht geht es ja beim Widerstand auch darum. Wir treffen uns im Geheimen, verbreiten unsere Botschaft von Mund zu Mund und suchen Leute auf, für die andere gebürgt haben. Ich habe mich einmal mit einer Gruppe in einem Haus bei Aos getroffen. Es waren etwa fünfzehn Personen anwesend, doch sobald die Türen geschlossen waren und wir uns sicher fühlten, haben wir uns unterhalten wie alte Freunde. Wir haben über das Leid gesprochen, das uns widerfahren ist, über die Angehörigen, die wir verloren haben, und über unsere Zukunftsträume. Es war ein wundervoller Abend, und im Mittelpunkt stand die Hoffnung, verkörpert durch die jungen Akaran. Es wundert mich nicht, dass davon noch nichts bis hierher gedrungen ist. Bis Vumu reicht der Einfluss des Widerstands nicht. Aber zum Glück bin

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