Acacia 01 - Macht und Verrat
dem Moment an, da sie sich kampflustig aus dem Schoß ihrer Mutter freistrampelten, hatte Wut in ihrer Natur gelegen.
Was er in den ersten Stunden beobachtet hatte, übertraf jedoch seine kühnsten Erwartungen. Er konnte das ganze Schlachtfeld überblicken und sah, wie die vier Bestien gezielt gegen den Feind vorgingen. Sie pflügten durch die Soldaten hindurch, allerdings nicht so wahllos, wie es den Acaciern vorkommen musste. Immer wieder hetzten sie zu den Flanken hin und trieben die Flüchtenden zurück zur Herde. Staunend wurde Maeander klar, dass die Wärter hinsichtlich ihrer Fähigkeiten nicht übertrieben hatten; die Geschichten der Lothan Aklun über die Antoks entsprachen der Wahrheit. Er wurde, so glaubte er, gerade Zeuge, wie sie die Acacier und deren Verbündete bis auf den letzten Mann abschlachteten. Sie würden nicht aufhören, bis das letzte Stückchen sich bewegende Farbe zerfetzt oder zertrampelt war. Gemischt mit Hochstimmung hatte er eine pochende Angst vor den Fremden jenseits der Grauen Hänge empfunden. Wenn sie solche Waffen verschenkten, was für Werkzeuge der Macht behielten sie dann für sich?
Der Gedanke wurde jäh unterbrochen, ehe er zu weit führen konnte. Eine kleine Gruppe von Fremden tauchte auf – Vumu, wie er bald erfuhr. Er wusste genau, weshalb die Antoks sie nicht töteten, doch er hatte nicht erwartet, dass die Acacier sich das Ganze in dem Durcheinander der Schlacht zusammenreimen könnten. Als er sah, wie sie sich entkleideten, fluchte er laut. Beinahe hätte er ihnen zugerufen, sie sollten damit aufhören. Das wird euch nicht retten! Sterbt tapfer und zeigt der Welt dabei nicht den nackten Hintern! Und doch sah er zu, wie sie die Tiere allmählich unter Kontrolle brachten, sie umzingelten und eine lebendige Mauer um sie bildeten. Nackt und verletzlich standen sie da, und gerade dadurch besänftigten sie die tobenden Antoks. Niemals hätte er so etwas für möglich gehalten.
Ebenso wenig traute er seinen Augen, als er sah, wie Aliver eine Möglichkeit fand, die Antoks zu töten. Nackt wie ein Neugeborenes, von den Talayen um ihn herum kaum zu unterscheiden, schwang er zwei Klingen und bewies seine Tapferkeit auf eine Weise, die auch Maeander stolz gemacht hätte. Er konnte nicht alles genau erkennen, doch plötzlich sprang Aliver an der Flanke des Tieres hoch. Im nächsten Moment griff es ihn an, und als die Kreatur zusammenbrach, konnte er sehen, dass die Verletzung, die dazu geführt hatte, tödlich war. Die anderen Kämpfer in Alivers Armee folgten seinem Beispiel, zum Teil in leicht abgewandelter Form. Eine halbe Stunde später lagen alle vier Antoks tot am Boden. Triumphierende Talayen kletterten auf die Kadaver und vollführten Freudentänze.
Beim abendlichen Kriegsrat strichen die Generäle heraus, was sie durch die Ereignisse des Tages gewonnen hätten. Die Acacier würden am nächsten Tag keine Armee ins Feld führen können. Die Offiziere schätzten, dass der Gegner durch die Antoks mehr als fünfzehntausend Kämpfer verloren hatte. Das war eine unglaublich hohe Zahl, etwa ein Viertel der gesamten gegnerischen Streitmacht. Außerdem war von Zauberei nichts zu merken gewesen. Keine fremde Macht hatte den Acaciern beigestanden. Vielleicht war derjenige, der Magie für sie gewirkt hatte, ja von den Antoks getötet worden. Oder seine magischen Kräfte hatten sich erschöpft. Vielleicht war sie aufgebraucht, so wie alles sich aufbrauchen ließ.
»Aliver hat seine Niederlage aufgeschoben«, sagte ein General, »aber jetzt werden wir bereit sein, alldem ein Ende zu machen. Morgen sollten wir mit der gesamten Streitmacht aufmarschieren und sie überrennen. Auch wenn er nicht in Stellung gehen sollte. Machen wir sie im Lager nieder und legen sie neben ihre unbestatteten Toten.«
Mehrere Offiziere bekundeten halblaut ihre Zustimmung. Als Maeander schwieg, setzte ein anderer General hinzu: »Bedenkt, dass wir heute keinen einzigen Soldaten verloren haben. Keinen einzigen. Nicht einmal Hanish hätte es besser machen können.«
Das aber war für Maeander nur ein schwacher Trost. Diesmal war er es, nicht seine Berater, der erkannte, dass der Feind trotz seiner scheinbaren Niederlage einen Vorteil errungen hatte. Die Nachricht, dass Aliver das erste Antok eigenhändig getötet hatte, würde sich wie eine ansteckende Krankheit im ganzen Land verbreiten. Sie würde den Prinzen zu einem Helden von gewaltigen Ausmaßen machen und den Aufstand noch weiter anheizen.
In der
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