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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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eine Entscheidung treffen. Er konnte auf der Stelle sterben – ohne Ruhm und Ehre erworben zu haben -, oder er konnte sich bereit erklären, ihm dabei zu helfen, die Welt zu verändern. »Schwöre bei den Ahnen, dass du niemals gegen mich arbeiten wirst. Schwöre, dass du mir stets gehorchen wirst. Wenn du das bei den Ahnen gelobst, lasse ich dich am Leben. Wenn nicht, stirbst du hier und jetzt. Niemand wird mich deswegen zur Rechenschaft ziehen, und das weißt du auch.«
    Zu Maeanders nie endender Schande sprudelte die Antwort aus ihm hervor. Vielleicht war das Ausmaß seiner Scham der einzige Grund, weshalb er den Schwur jener Nacht nicht gebrochen hatte. Im Angesicht des Todes war er zurückgeschreckt. Er war gelähmt gewesen vor Angst, das glorreiche Leben, das er sich in glühenden Farben ausgemalt hatte, zu versäumen. Hanish hatte ihn mit dem Einzigen getroffen, was ein Mann der Mein wirklich fürchten könnte – zu sterben, bevor er Ruhm erworben hatte. Ironischerweise hätte er Hanish nach dem Ehrenkodex der Mein seine Verachtung dennoch ins Gesicht schleudern sollen. Er hätte das schlimmste aller Schicksale mit lächelnder Geringschätzung auf sich nehmen sollen. Das hatte er nicht getan.
    Diese Tatsache wäre eine unerträgliche Schande gewesen, wäre nicht das gewesen, was Hanish als Nächstes getan hatte. Als er den gemurmelten Eid vernommen hatte, war Hanishs Gewicht auf seinem Rücken auf einmal erschlafft. Sein Atem ging stoßweise. Nach ein paar verwirrten Augenblicken wurde Maeander klar, dass sein älterer Bruder weinte. Jedes Aufschluchzen brach von ganz unten aus seinem Leib hervor. Maeander rührte sich nicht und verlor auch kein Wort darüber, dass Hanish ihm noch immer das Messer an die Kehle hielt. Sie hatten nie über jene Nacht gesprochen, doch Maeander dachte beinahe täglich daran.
    Und jetzt... jetzt stand Hanish vor seinem größten Triumph, während Maeander im Vergleich zu ihm gescheitert war. Denn darauf lief es hinaus. Er war gescheitert. Das hieß nicht, dass sein Volk geschlagen war. Aliver konnte nicht mehr verhindern, dass Hanish die Zeremonie zur Befreiung der Tunishni vollendete. Wenn die Ahnen wieder über die Erde wandelten, würden sie eine unbesiegbare Macht sein. Alle Listen, Ränke und Strategien, die er und sein Bruder ersonnen hatten, würden gegenüber ihrem Wüten verblassen. Indem er Alivers Armee in Nordtalay festhielt, half er seinem Bruder, den Sieg zu vollenden. Das war gut und schön. Doch darum ging es nicht. Es ging darum, dass Maeander Mein in dem ganzen Geschehen keinen ehrenvollen Platz mehr einnehmen würde. Wer würde sich an ihn erinnern? Wer würde Maeander besingen, wenn Hanish das vollbracht hätte, wonach sein Volk sich seit zweiundzwanzig Generationen sehnte? Es war, als hätte Hanish seine Klinge nie von seinem Hals gelöst.
    Und so kam Maeander zu dem Schluss, dass es für ihn nur eine ehrenhafte Möglichkeit gab, sich verdient zu machen. Mittels Boten teilte er seinen Generälen mit, dass sie am Morgen mit einiger Verzögerung angreifen würden. Er hatte etwas vor, um die Schlacht zu eröffnen. Er würde es nicht überleben, doch darauf kam es nicht an. Wenn er sich zu den Tunishni gesellte, würde er schon bald mit ihnen zusammen erlöst werden. Dann wäre er einer von ihnen, einer der Ahnen, denen sein Bruder Verehrung schuldete. Außerdem hatte er dem Feind schon zu lange nicht mehr ins Gesicht geblickt. Nicht einmal Hanish hatte das jemals getan. Und wenn es ihm gelang, seinen Plan in die Tat umzusetzen, würde Hanish ihm dies niemals nehmen können.
    Nichts von dem, was er vorhatte oder dachte, war ihm am nächsten Morgen auch nur im Entferntesten anzusehen. An der Spitze seiner Leibgarde, einer Handvoll hoch gewachsener, muskulöser Punisari mit sonnenverbrannten, wie aus Stein gemeißelten Gesichtern, verließ er im Schein der aufgehenden Sonne das Lager. Jeder der Männer hatte strohblondes, schulterlanges Haar; einige trugen die traditionellen verfilzten Locken, die an die Zeit erinnerten, als ihre Ahnen die Wildnis des Exils durchstreift hatten. Alle wussten, was sie erwartete, und keiner ließ auch nur das geringste Zögern erkennen. Maeander hatte die drei Zöpfe zusammengebunden, deren bunte Bänder die Zahl der Männer symbolisierten, die er eigenhändig getötet hatte. Sein Oberkörper war in eine graue Thalba gehüllt. Der Ilhach-Dolch, den er quer vor dem Bauch trug, war seine einzige Waffe.
    So begleitet und bewaffnet,

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