Acacia 01 - Macht und Verrat
Handel miteinander treiben, ein jedes sich seine Eigenheiten bewahren, seine Tradition und Religion ehren und den anderen Ländern in Freundschaft die Hand reichen. Das hat sie Tinhadin vorgeschlagen.«
Eines der Ratsmitglieder bemerkte, ein solches System könne vielleicht im kleinen Rahmen funktionieren – wenn jedes Land sich irgendwie selbst behelfe und alle mehr oder minder gleichberechtigt seien -, doch keines würde es dabei zu solchem Wohlstand, zu einer solchen Stabilität und Ertragsfähigkeit bringen, wie sie unter der acacischen Hegemonie mit Hilfe des von der Gilde abgewickelten Handels erreicht worden seien. Die einzelnen Nationen würden Inseln nationaler Leidenschaften bleiben, in ständigem Zwist miteinander, wie sie es vor dem Verteilungskrieg gewesen seien.
Igguldan versuchte nicht, das abzustreiten. Er nickte und gab mit einer Geste zu verstehen, dass der Königspalast Zeugnis von der Wahrheit dieses Arguments ablege. »Die Königin hätte darauf erwidert, der Größte sei nicht notwendig auch der Beste, zumal dann nicht, wenn der Reichtum nur wenigen zugutekomme, während viele sich dafür abplagen müssten.« Der Prinz senkte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Doch darüber wollte ich nicht mit euch sprechen. Elena gehört der Vergangenheit an; wir blicken in die Zukunft.«
»Bisweilen kann ich mir die Welt, die sich eure Königin gewünscht hat, noch immer vorstellen«, bemerkte Leodan.
»Ich auch«, meinte der Prinz, »aber nur mit geschlossenen Augen. Mit offenen Augen stellt sich die Welt ganz anders dar.«
Nachdem die Besprechung etwa eine Stunde später geendet hatte, trank der König mit Aliver und seinem Kanzler Tee. Die beiden Älteren unterhielten sich eine Weile über verschiedene Gesichtspunkte der Unterredung. Aliver war überrascht, als sein Vater ihn fragte: »Was hältst du von alledem? Sag uns, was du denkst.«
»Ich? Ich glaube... Der Prinz macht auf mich einen recht vernünftigen Eindruck. Bislang kann ich nichts Schlechtes über ihn sagen. Wenn er wirklich für sein Volk spricht, ist das gut für uns, nicht? Nur, wenn sie so viel von uns halten, warum haben sie sich uns dann nicht schon eher angeschlossen?«
»Der Anschluss hätte für sie ganz unterschiedliche Folgen«, sagte Leodan. »Sie haben recht daran getan zu zögern, doch seit einiger Zeit bieten sie uns ihre Freundschaft an, wenn wir ihnen die unsere schenken.«
Thaddeus deutete mit einer Geste an, dass es nicht ganz so einfach sei. »Dein Vater ist wie immer etwas großzügig mit seinen Worten.«
»Nein, es ist so, wie ich sage. Schon seit Jahren strecken sie uns in Freundschaft die Hand hin. Wir haben nur nicht zugegriffen.«
»Und das war auch gut so. Unsere Geduld hat sich ausgezahlt.« Der Kanzler tat, als spräche er zum König, doch sein Blick ruhte lange genug auf Aliver, um zu zeigen, dass er um seinetwillen etwas weiter ausholte. »Der Prinz hat verschwiegen, dass Aushenia große Not leiden muss. Ich wundere mich, dass sie dem Reich so lange ferngeblieben sind, ohne unter Schulden zusammenzubrechen. Es stimmt, sie besitzen einige Erzvorkommen, bewirtschaften ihre Forstbestände und verfügen über mehrere gute Häfen sowie den von Igguldan erwähnten Bernstein und das Pech, doch ohne Handelsbeziehungen zur Gilde können sie nur wenig damit anfangen. Die Aushenier sind ein stolzes Volk, aber sie sind gezwungen, ihre Erzeugnisse auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen und mit Piraten Handel zu treiben. Das verträgt sich nicht gut mit diesem Idealismus. Sie haben ihr Angebot so unverhohlen vorgetragen, weil sie uns mehr brauchen als wir sie. Sollten wir uns darauf einlassen, wird es eine höchst delikate Angelegenheit sein, ihren Status innerhalb des Reichs festzulegen. Einem neuen Vedel, einem besiegten Land der untersten Rangstufe, werden viele Lasten auferlegt. Damit müssten sie sich ohne Groll abfinden, auch wenn ein Vedel in Wahrheit schwere Herabsetzungen hinnehmen muss.«
»Und wenn sie nicht als Vedel eintreten?«, fragte der König.
»Aber das müssen sie. Den alten Gesetzen nach gibt es keine andere Kategorie. Tinhadin hat zu seiner Zeit klargestellt, dass alle Länder vor der Wahl stehen, sich ihm entweder anzuschließen oder gegen ihn zu kämpfen. Als Aushenia sich weigerte, sich mit der acacischen Vorherrschaft abzufinden, war sein Schicksal entschieden.« Thaddeus trank einen Schluck Tee, dann hob er die Stimme, um den erwarteten Einwänden zuvorzukommen. »Dass seitdem
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