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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Nachricht noch immer nicht aufgehoben. »Mach dir selbst ein Bild. Wenn Delivegu die Wahrheit sagt, werde ich ihn empfangen, ehe ich mich um seinen Gefangenen kümmere. Wenn er lügt, veranlasse seinen Tod.«
    Der nächste Morgen brach so an wie immer im acacischen Sommer: warm, aber mit einer leichten Brise, die Sonne ganz allein an einem blauweißen Himmel, das Meer nahe der Insel türkisfarben und weiter entfernt tiefblau. Es war beinahe lächerlich, wie unerbittlich vollkommen das Wetter auf der Insel war. Corinn, die neben Aaden saß, verspürte plötzlich eine fast schmerzhafte Sehnsucht nach Calfa Ven. Sie würden dort bald wieder hinfahren müssen, hinauf in die dünne, feuchte Luft, wo die Nächte kalt und die Morgen nebelverhangen waren und wo stets irgendwelche Tiere zu hören waren – sei es das Gebrüll eines Wolfsbären, das Pfeifen eines Seetauchers oder das Röhren eines Hirschs. Vielleicht würde sie Grae einladen, sie und Aaden zu begleiten. Es würde ihm bestimmt gefallen. Beinahe hätte sie Aaden gefragt, ob ihm das recht wäre, doch es gab einen Grund, warum sie mit ihm hier war. Am besten kümmerte sie sich also zuerst darum.
    Mutter und Sohn saßen auf Schemeln, die so aufgestellt worden waren, dass sie durch schräge, gefärbte Glasscheiben nach unten blicken konnten. Unter ihnen war ein leerer Raum, in dessen Mitte ein Stuhl stand. Oberlichter erhellten den Raum, während der Beobachtungsbereich durch eine Plane vor dem Sonnenlicht geschützt im Schatten lag. Sie konnten hinabschauen, ohne bemerkt zu werden. So platziert, erwarteten sie die Ankunft des Gefangenen.
    »Wenn dieser Mann der ist, der er laut meinem Agenten sein soll«, sagte Corinn, »ist er einer meiner größten Feinde.«
    »Ich weiß Bescheid über ihn«, sagte Aaden und strich sich ein paar blonde Strähnen aus der Stirn. »Aber wie kann er eine Bedrohung sein? Er hat doch nicht einmal eine Armee. Mein Lehrer sagt, er läuft herum und stachelt die einfachen Leute auf, aber trotz all seiner Reden hat noch niemand irgendetwas getan. Das sind doch Händler und Schmiede und Bauern.«
    »Du glaubst, Händler und Schmiede und Bauern sind keine Bedrohung für mich? Einzeln natürlich nicht, aber Barad vereint die vielen zu einem Einzigen. Das ist gefährlich. Wir herrschen, weil das Volk uns erlaubt zu herrschen. Die Menschen glauben, wir haben Macht, aber das ist ein Irrglaube, der uns überhaupt erst Macht verleiht. Vergiss das nie. Nichts, was du mit deinem Schwert oder deiner Armee ausrichten kannst, ist auch nur annähernd so wichtig wie das, was du mit deinem Verstand erreichen musst, mit deinen Worten …«
    In dem Zimmer unter ihnen entstand Bewegung. Vier Marah-Wachen betraten den Raum, die Hände am Heft der Kurz- und Langschwerter und jederzeit bereit, beide zu ziehen. Sie stellten sich um den leeren Stuhl herum auf, die Gesichter ihm zugewandt. Einen Augenblick später betrat ein Riese von einem Mann den Raum. Die Hände auf den Rücken gefesselt, musste er sich bücken, um durch die Tür zu treten, dann machte er noch einen weiteren Schritt und blieb stehen. Seine Kleider hingen ihm zerfetzt und schmutzig am Körper. Ein Ärmel war an der Schulter abgerissen. Nachdem er sich einen Augenblick umgesehen hatte, hob er den Kopf und schaute nach oben, genau auf die Glasscheibe, durch die Mutter und Sohn ihn beobachteten.
    »Er kann uns nicht sehen«, sagte Corinn ein bisschen zu schnell und vielleicht ebenso sehr zu sich wie zu Aaden.
    »Er sieht aus wie ein Bauer«, stellte der Junge fest. »Ein großer Bauer … aber trotzdem ein Bauer.«
    Hinter dem Gefangenen tauchte ein weiterer Marah im Türrahmen auf und schob ihn mit einer Hand vorwärts, während die andere das Heft seines Kurzschwerts umklammerte. Der Wächter wies den großen Mann an, sich auf den Stuhl zu setzen und schritt dann vor ihm herum; dabei sagte er etwas, das die Beobachter nicht verstehen konnten.
    »Also, wenn wir annehmen, dass dieser Mann eine Gefahr für uns darstellt, was machen wir dann mit ihm?«
    Aaden saß lange stumm da und dachte nach. Zum millionsten Mal ging Corinn der Gedanke durch den Kopf, wie sehr sie diesen Jungen liebte. Wie war es möglich, so umfassend zu lieben und sich Tag für Tag von Neuem daran zu erinnern?
    »Hängt das nicht davon ab, auf welche Weise er eine Gefahr ist? Was er zu tun droht, und wie?«, fragte Aaden schließlich.
    »Ja, diese Dinge müssen bedacht werden. Er ist eine Gefahr, weil er über die Gabe der

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