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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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auszusehen. Er sah die beiden lediglich heraneilen und setzte die Flöte an, um sie anzukündigen. Doch er hatte kaum ein paar Töne gespielt, als Sire Dagon bereits die Tür der Königin öffnete. Er rauschte hinein und drückte sie gleich darauf hinter sich wieder zu, wobei er Rhrenna losließ. Das Ganze war ein ziemlich ungewohntes Maß an körperlicher Aktivität für den Mann – so viel, dass es ihn keuchen ließ.
    Corinn war auf ihrem Balkon gewesen. Sie kam in den dämmrigeren Raum zurück und musterte die beiden mit undurchdringlicher, aber gewiss nicht freundlicher Miene.
    »Euer Majestät!« Sire Dagon verbeugte sich rasch und holte dabei ein paar Mal tief Luft. »Ich bin hier, um Euch alles zu berichten. Alles, ohne jede Täuschung. Aber zuerst: Habt Ihr einen geheimen Raum? Einen sicheren Raum?«
    »Was …«
    Während er auf sie zutrat, fuhr er fort: »Natürlich habt Ihr so etwas! Ich weiß es. Einen Raum, den Ihr von diesen Gemächern aus betreten könnt, zu dem nur Ihr den Schlüssel habt, und den Ihr abschließen könnt. Wo ist er?«
    »Sire Dagon, ich …«
    »Nein!«, sagte er. »Jetzt nicht. An einem sicheren Ort. Bringt uns dorthin. Dann reden wir. Bitte, Corinn. Euer Leben ist in Gefahr. Bitte!«
    Die Königin verschränkte die Arme. »Ich befinde mich in meinen eigenen Gemächern, und meine Wachen sind in Rufweite. Von wem geht diese Gefahr aus? Im Augenblick sehe ich nur einen Verrückten.«
    »Oh, Ihr starrköpfiges Ding! Na schön.«
    Noch während sie ihm – inzwischen von seinen Ausbrüchen sichtlich schockiert – zusah, drängte Sire Dagon sich an ihr vorbei. Hastig untersuchte er eine Ecke des Raums, suchte hoch oben und tief unten. Er machte ein paar Schritte zur Seite, und packte dann den Wandteppich, der dort hing, am unteren Rand. Mit Schwung zog er ihn beiseite, ließ die gestickte Darstellung eines Sonnenuntergangs hinter den Bergen von Senival zerknüllt auf den Fußbodenfliesen landen. Und da war es! Er hatte es ja gewusst. Nichts weiter als zwei Vertiefungen im Stein, etwa in Hüfthöhe, jede so groß wie die Handballen einer Kinderhand. Er legte seine eigenen Handballen in die Vertiefungen und drückte. Einen Moment lang blieb die Wand so unbeweglich, wie sie aussah. Er fluchte, hörte eine der Frauen etwas flüstern. Er fluchte noch einmal. Und dann erinnerte er sich. Er drückte mit der rechten Hand stärker als mit der linken. Natürlich. Ein türgroßer Teil der Wand gab nach, ließ sich plötzlich glatt und leicht bewegen.
    »So«, sagte er und drehte sich um. Er atmete schwer. »Jetzt wisst Ihr, dass wir von diesem Raum wissen. Würde ich das ohne Grund verraten? Bitte, lasst uns zusammen dort hineingehen. Dann werde ich Euch alles erzählen.«
    Die Königin warf Rhrenna einen raschen Blick zu. Sire Dagon wusste, dass sie sich über irgendetwas verständigten, doch er war zu müde, um es zu enträtseln. Nicht dass es nötig gewesen wäre. Beim Schöpfer, er hatte gerade ein jahrhundertealtes Geheimnis enthüllt, eines, das allein durch sein Bestehen das gegenseitige Vertrauen zwischen den Akarans und der Gilde völlig veränderte. Er hoffte, dass es gut gehen würde. Natürlich würde die Königin andernfalls wahrscheinlich binnen einer Stunde tot sein.
    Ohne ein Wort zu sagen oder ihm ins Gesicht zu sehen, schob Corinn sich an ihm vorbei durch die Türöffnung. Rhrenna folgte ihr, sah ihn dabei mit harten blauen Augen an. Dagon schlüpfte hinter ihnen hinein. Er ließ das Wandstück wieder sauber an Ort und Stelle gleiten und trat dann einen Schritt zurück. Von dieser Seite aus verriet der grob behauene Stein, der anscheinend von einem Oberlicht beleuchtet wurde, nichts davon, dass sich an dieser Stelle eine Tür verbarg. Nur zu seinen Füßen, wo ein Fächer aus dickem Staub beiseitegewischt worden war, bestätigte ein Zeichen, dass er gerade durch die Wand gekommen war. Wie merkwürdig, endlich doch hier zu sein. Seit seinen ersten Tagen im Amt hatte er von diesem Ort gewusst, doch er hatte nie erwartet, ihn eines Tages mit eigenen Augen zu sehen.
    Er drehte sich zu den beiden Frauen um. Noch ehe er die Bewegung ganz vollendet hatte, rammte Rhrenna ihm die Schulter gegen die magere Brust und drängte ihn zurück, gegen die Wand – und dann spürte er die Berührung einer winzigen, zweifellos rasiermesserscharfen Klinge. Die Frau aus dem Volk der Mein drückte sie ihm gekonnt gegen den Hals, gerade flach genug, dass er den Puls seiner Halsschlagader darunter

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