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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Geräusch von sich, das tief aus ihrer Kehle kam. »Wir werden sehen.«
    Spät am nächsten Nachmittag war er zusammen mit neun anderen unterwegs. Mittlerweile von allen Fesseln befreit, folgte er Skylenes schlanker Gestalt durch das Labyrinth unterirdischer Korridore, das wochenlang seine Heimat gewesen war. Dieses Mal wurde er nicht in eine andere Zelle geschafft. Dieses Mal kamen sie zu einer Tür, öffneten sie und traten ins Freie.
    Zuerst huschte sein Blick über das Feld neben ihnen. Es war lange her, seit er zum letzten Mal vom Erdboden aus die offene Welt gesehen hatte. Der Himmel hing unheilverheißend gewaltig über ihnen. Reihen fremdartiger Gemüsepflanzen – ungefähr mannshohe Büsche mit langen Zweigen, die alle in einer Art faustgroßer Knospe endeten – schienen in Reih und Glied auf ihn zuzumarschieren. Es dauerte einen Moment, ehe er sich blinzelnd vergewissern konnte, dass sie sich in Wirklichkeit nicht von der Stelle rührten, doch gleich darauf entdeckte er Bewegung in einem anderen Quadranten.
    Die Mauer über ihm bewegte sich, auf widerwärtige, gleitende, unnatürliche Weise. Beim ersten Blick darauf bekam Dariel eine Gänsehaut. Er blieb stehen und starrte zu … Nun, es war schwer für ihn, zu sagen, zu was er da hinaufstarrte. Das ganze lange, hohe Bauwerk wimmelte von Armen. Dornenbesetzte Tentakel, viele davon zehn oder fünfzehn Fuß lang; das Ganze sah aus wie die Bäuche von tausend riesigen Tintenfischen, deren wabernde Arme vom ersterbenden Tageslicht in grünstichiges Orange getaucht wurden. Einen atemlosen Augenblick lang hielt Dariel sie für Lebewesen, die sich auf ihn herabstürzen, ihn packen und in Stücke reißen könnten.
    »Was ist das?«, stieß er hervor.
    Tunnel folgte seinem Blick und betrachtete die Mauer völlig unbeeindruckt. »Pflanzen«, sagte er. »Habt ihr da drüben keine Pflanzen?«
    »Solche nicht«, sagte Dariel.
    »Keine Angst.« Tunnel stupste ihn gegen die Schulter. »Die fressen dich nicht. Pflanzen im Landesinnern … die fressen dich vielleicht, aber die hier nicht. Komm.«
    Sie gingen weiter an der Mauer entlang, unbehelligt von den zuckenden Armen. Dariel hielt sich dicht bei den anderen und versuchte, ebenso gelassen zu sein wie sie. Es gelang ihm nicht.
    Sie flitzten um Gebäude herum, rannten durch Felder, und eine Weile kletterten sie über Dächer. Dariel musste sich aufs Vorwärtskommen konzentrieren, darauf, wo er die Füße hinsetzte und mit den Händen hingriff, und darauf, mit den anderen mitzuhalten. Trotzdem warf er immer wieder rasche Blicke auf das Panorama von Avina. Es war ungeheuerlich. Schien nie zu enden. Bis in die Ferne ragten Gebäude in die Höhe.
    Tunnel hatte geschworen, dass Ushen Brae ein Land voller Berge sei, die sich direkt aus gewaltigen Seen erhoben. Mit Dschungeln, die sich von Horizont zu Horizont erstreckten und in denen es Insekten gab, so groß wie Antoks, und flugunfähige Vögel, die das Freie Volk wie Wölfe in Rudeln jagten. Mit arktischen Regionen, in denen sich Schneelöwen und weiße Bären drängten. Da draußen gab es Kreaturen, die so wild waren, dass die Auldek sie fürchteten, Tiere mit gewaltigen Mäulern oder Stacheln, die ihnen ein Leben nach dem anderen aussaugen konnten. Diese Tiere, behauptete er, waren der Grund, warum die Auldek Küstenstädte bauten, auch wenn sie dem Meer den Rücken kehrten. Tunnel gab zu, dass er keins dieser wunderbaren oder schrecklichen Wesen mit eigenen Augen gesehen hatte, doch er hoffte, dass das eines Tages geschehen würde.
    Dariel fand, dass es aufregend klang, auf genau die Art und Weise gefährlich, die seine jugendliche Phantasie reizte.
    Zweimal musste die Gruppe sich auf überfüllten Straßen teilen. Das eine Mal ging Dariel neben Tunnel, das andere Mal hinter einem jungen Wrathic namens Birké. Birké hatte keine sichtbaren Tätowierungen, aber die wolfsähnlichen Eigenschaften seines Clan-Totems zeigten sich in dem dichten Gesichtshaar, das Wangen und Stirn bedeckte. Außerdem hatte er Reißzähne, die so groß waren, dass sie sich selbst dann unter seinen Lippen abzeichneten, wenn er den Mund geschlossen hatte. Auf eine merkwürdige, unnatürliche Weise sahen sie vollkommen natürlich aus. Wenn er lächelte – was er zum ersten Mal tat, als er Dariels neue Gesichtstätowierung sah, und dann noch einmal, nachdem sie eine dicht bevölkerte Straße hinter sich gelassen hatten und sich im Schatten einer Gasse wieder der Gruppe anschlossen – wirkte es

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