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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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mit einer beinahe greifbaren Kraft aufgeladen – erfüllten die Nische. Ein Klang tanzte in der Luft, als verflochten sich unsichtbare Bänder in dem kleinen Raum, wie schwebende, sich windende, kreisende Schlangen. Während Corinn weitersang, wurde der Kreis immer kleiner. Sie zog den Zauberspruch zu sich, knüpfte ihn enger, füllte die unsichtbare Schüssel mit Klängen, die zu immer mehr Stofflichkeit zusammenschrumpften. Schon bald schwammen die Worte ihres Liedes wie Hunderte blitzender Elritzen, eine brodelnde Kugel, die dichter und dichter wurde. Und darin begann etwas Gestalt anzunehmen.
    Etwas, das noch niemand jemals zuvor gesehen hatte – das war es, worum Aaden sie gebeten hatte. Und das war es, was sie ins Dasein sang. Sie würde es hier vor ihnen ein paar Augenblicke leben lassen, und dann würde sie seine Aufhebung singen.

3

    Die Wachen auf der unteren Vortreppe des Palastgeländes machten den Fehler, dem jungen Mann den Weg zu versperren. Der eine Wächter fragte ihn, was er vorhabe, der andere rammte dem Fremden die Handfläche gegen die Brust, während seine Rechte sich um den Griff des Dolchs an seiner Hüfte legte. Der dritte blies eine Alarmpfeife. Alle drei waren sichtlich empört, dass ein Tagelöhner oder ein Bauer – oder was auch immer der ungekämmte, in kaum mehr als Lumpen gekleidete Bursche mit den schwieligen Händen und den bloßen Füßen sein mochte – tatsächlich den Versuch wagte, sich Zutritt zur königlichen Residenz zu verschaffen. Dafür konnte er auf der Stelle hingerichtet werden. Vor diesem Schicksal, sagte die erste Wache, bewahre ihn im Moment nur die Tatsache, dass sie wissen wollten, was für ein Wahnsinn ihn befallen habe, ehe sie dann doch zur Tat schreiten würden.
    Als Antwort trat der Eindringling einen Schritt zurück, stemmte die Hände in die Hüften und stand lächelnd da. Er wusste, dass seine Kleider zerschlissen und schmutzig waren, als habe er sie jahrelang getragen, dass sie mehrfach geflickt und stellenweise zerfetzt waren. Seine Fußnägel waren schwarze Halbmonde, und dünne Schmutzstreifen ließen die Hautfalten an den Ellbogen, am Hals und auf der Stirn deutlich hervortreten. Dennoch – wie er so dastand, schien er voller Selbstvertrauen. Sein Lächeln, das seine weißen Zähne sehen ließ, forderte sie auf, den Menschen hinter all den Äußerlichkeiten zu sehen. Die Heiterkeit in seinen Augen zu sehen und sich darüber zu wundern. Die festen Muskeln unter den Lumpen zu bemerken. Sein Gesicht als das zu erkennen, was es war, nicht als das, was es zu sein schien. Es war ein Augenblick voller Anspannung, dessen waren sich alle bewusst, allerdings abgesehen von dem jungen Mann.
    Jetzt tauchten von der Alarmpfeife herbeigerufen noch weitere Marah auf, kamen drohend näher, die Hände an den Schwertern. Unter ihnen war ein Gesicht, das der Mann gut kannte, auch wenn er sich nicht sonderlich viel aus ihm machte. Rialus Neptos achtete darauf, sich stets hinter den Wachen zu halten; er war kein Kämpfer, wollte aber wie immer alles beobachten, um es dann der Königin zu melden. Zwar war er nicht ihr Kanzler, wie er es sich Gerüchten zufolge einzubilden schien, aber alle wussten, dass er Corinn Akaran auf eine Weise nahestand, die niemand ergründen konnte. Er war ein Berater, dem sie anscheinend ebenso viel Zutritt gewährte wie ihren Geschwistern.
    Rialus erkannte den jungen Mann schneller als die anderen. Einen Moment lang sah er genauso verblüfft aus wie die Wachen. »Lasst eure Schwerter!«, rief er und drängte sich nach vorn. »Lasst eure Schwerter, ihr Narren! Seht ihr denn nicht, dass das Prinz Dariel ist?«
    Der zweite Wächter, der Mann, der ihn berührt, aber noch nichts gesagt hatte, stotterte: »Prinz … Prinz Dariel?« Verwirrt sah er seine Kameraden an. Dann ließ er unverzüglich den Dolchgriff los, als wäre er entsetzt, dass er die Waffe überhaupt berührt hatte. »Euer Hoheit, ich verstehe nicht …«
    »Oh, hast du mich also erkannt«, sagte der junge Mann und behielt seine fröhliche Miene noch etwas länger bei, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach. »Und dass du nichts verstehst, ist offensichtlich, mein Freund! Deine Kameraden hier sind sogar noch verwirrter. War ich tatsächlich so lange fort? Ich dachte, es wären nur ein paar Monate gewesen!« Er hielt inne, aber niemand hatte eine Antwort für ihn. »Niemand von euch hat wohl je einen Prinzen in Bettlerlumpen gesehen. Aber der Mann ist es, der die Kleider

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