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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Gestalt stehen, ein lauernder Schatten. Rasch setzte er sich auf. Eben war sie noch nicht dagewesen. Shen hielt ihn zurück, als er sich ganz erheben wollte, und dann wurde ihm klar, dass der Schatten Leeka Alain war, gekleidet wie zuvor, den Kopf mit einer Kapuze verhüllt und ebenso unheimlich regungslos. Hatte sie ihn ins Dasein gerufen, indem sie seinen Namen genannt hatte?
    Der Mann im Kapuzenumhang nickte, seine Stimme war ein Flüstern, das aus der Schwärze drang, die dort war, wo sein Gesicht hätte sein sollen. »Das hast du getan.«
    »Kelis, hab keine Angst vor ihm. Das ist doch nur Leeka. Er sieht nur ein bisschen unheimlich aus.« Sie tätschelte seine Hand. »Wie lange ist es her? Wie lange habt ihr gewartet?«
    »Ein paar Wochen. Nein, einen Monat. Heute ist es ein Monat.«
    Das Mädchen nickte. Ihr Gesicht war plötzlich ernst. »Dann müssen wir uns beeilen. Wir haben nicht viel Zeit. Ich sollte es dir erklären, damit du Bescheid weißt und keine Angst hast, und damit du mir helfen kannst, es meiner Mutter zu erklären, damit auch sie keine Angst hat. Und Naamen auch. Er wird auch mit uns kommen. Aber ich will, dass du es zuerst hörst. In Ordnung?«
    Kelis nickte.
    »Gut. Bist du bereit? Hab keine Angst. Die Santoth sind hier, bei mir. Schau.« Sie neigte den Kopf gerade weit genug, um auf einen nicht genau umrissenen Bereich über ihrer linken Schulter hinzuweisen.
    Genau wie Leeka barsten die Wesen, die sie benannte, ins Dasein hervor. Kelis sah nicht, wie sie Gestalt annahmen. Sie waren einfach schlagartig da, während sie einen Augenblick zuvor noch nicht dagewesen waren. Die Gestalten standen dicht beieinander: vage, verhüllte Umrisse, die von der aufgehenden Sonne gleichzeitig beleuchtet und in tiefe Schatten getaucht wurden. Als Kelis sie ansah, fühlte er sein Herz hämmern. Sie sahen wie eine Armee von Assassinen aus, wie sie so unbeweglich dastanden und sich doch in ihrer Reglosigkeit veränderten, nicht ganz von dieser Welt. Er versuchte sie zu zählen, kam jedoch jedes Mal durcheinander. Zahlen schienen nicht an ihnen haften zu bleiben. Nicht besonders viele, nicht besonders wenige. Oh, warum standen sie einfach nur da? Er hätte gesagt, dass sie auf etwas warteten, doch warteten war nicht ganz das richtige Wort. Sie verschlangen jeden Augenblick, voller Ungeduld, pulsierten vor Energie, die nur durch Willenskraft gebändigt wurde. Sie waren hungrig, und – das wusste Kelis – sie würden nicht lange warten.
    »Was wollen sie?«, fragte er.
    Shen starrte die Gestalten ebenfalls an; ihre Miene war allerdings gelassen, und sie kräuselte die Lippen, was ihr einen beinahe wehmütigen Ausdruck verlieh. »Sie haben mich gebeten, sie aus dem Exil zu befreien«, sagte sie. »Und das habe ich getan.«
    »Du … das konntest du tun?«
    Das Mädchen lächelte. »Ja, du Dummkopf. Sie haben mich dasselbe gefragt. Sie haben gedacht, ich müsste ein Junge sein, um sie zu befreien, aber sie haben sich getäuscht.«
    »Shen, was wollen sie? Sie sind gefährlich, sie wurden verbannt, weil sie schreckliche …«
    »Ich weiß. Sie haben es mir gezeigt. Ich habe alles gesehen. Diese Sachen, die vor langer Zeit passiert sind … mit Tinhadin … das war nicht so, wie die alten Geschichten es erzählen. Ich habe es gesehen, und es war … anders.« Sie runzelte die Stirn, stieß schnaubend den Atem durch die Nase aus und sah zur gleichen Zeit furchtbar erwachsen und furchtbar kindlich aus. Es schien ihr schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden. Sie legte die Finger an die Stirn und sagte: »Sie haben das Wissen in meinen Kopf getan. Ich kann dir jetzt nicht alles erklären, aber das Wichtigste ist, dass wir sie wieder in der Welt brauchen. Du weißt Bescheid über Das Lied von Elenet? Die Santoth wissen es, wenn in dem Buch gelesen wird. Sie können es spüren. Viele, viele Lebensalter lang ist nicht darin gelesen worden. Das Buch war für sie stumm. Sie haben befürchtet, es wäre verloren. Selbst mein Vater konnte es nicht finden. Aber das war früher. Das Buch ist gefunden worden, Kelis. Jemand hat in den letzten paar Jahren darin gelesen, hat es studiert. In all den Jahren meines Lebens. Du weißt, wer, nicht wahr? Meine Tante, Königin Corinn.«
    »Ich habe die Kanäle in Bocoum gesehen, die sie mit Wasser gefüllt hat. Habe Geschichten darüber gehört.«
    »Ja, das ist ein Teil des Problems. Sie tut Dinge, ohne die Konsequenzen zu verstehen.«
    »Konsequenzen?« Das Wort – und die

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