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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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ein Kind machen und so leben wie …«
    »Wie wer? Wie alle anderen? Wir sind nicht wie alle anderen.« Ich bin Maeben auf Erden, erinnerst du dich? Zorn in Gestalt eines Raubvogels. Was wäre ich wohl für eine Mutter? All das sagte sie nicht. Sie glaubte es auch nur halb, und sie wusste, Melio würde sie Punkt um Punkt widerlegen. Das hatte er schon viele Male getan. Sie sah, dass er noch etwas sagen wollte, aber Mena hatte fürs Erste genug vom Reden. »Komm«, sagte sie. »Ich möchte heute Abend in Halaly sein. Es gibt Arbeit.«
    Es gab immer Arbeit. Zumindest hatte sie seit Monaten dieses Gefühl. Immerhin sah es inzwischen so aus, als sei in diesem Krieg gegen die Übeldinge ein Ende absehbar. Soweit sie wusste, waren nur noch zwei übrig, mit denen sie es aufnehmen mussten. Eines in Halaly, und eines in einer weiträumigen Hügelregion im nordwestlichen Talay. Über Letzteres gab es bisher nur vereinzelte und nicht sonderlich vertrauenswürdige Berichte. Im Gegensatz dazu war die Nachricht, die aus Halaly gekommen war, eindeutig. Und schlimm. Deshalb hatte sie ihre Leute gleich nach dem Sieg über die Tenten-Kreatur gedrängt, so schnell wie möglich ins Gebiet jenes einst mächtigen Stammes im Innern von Talay zu marschieren.
    Mit Melio und Kelis an ihrer Seite verbrachte Mena den ersten Abend in Halaly mit dem Häuptling Oubadal und seinen Ratgebern. Sie saßen auf gewebten Matten in der kegelförmigen Schutzhütte, in der der alternde Anführer Hof hielt. Mena schob alle Gedanken an zu Hause – an Ausruhen und Frieden und Zeit zum Nachdenken – ganz weit nach hinten und konzentrierte sich auf das, was unmittelbar vor ihr lag. Die Stammesangehörigen waren erregt, besorgt und ängstlich. Das Gewässer, das sie in ihrer ganzen Geschichte mit Fischen versorgt hatte, hatte sich in eine flüssige Wüste verwandelt, einzig und allein durch den unersättlichen Appetit eines Übeldings.
    »Erzählt mir von ihm«, sagte Mena, die mit untergeschlagenen Beinen vor dem Häuptling und den wenigen verbliebenen älteren Ratgebern saß. Sie war erst vor ein paar Minuten im Dorf einmarschiert, aber sie war mit einer bestimmten Absicht hergekommen, und sie wollte, dass die Halaly das erfuhren. Um sie herum bildeten Menschen jeden Alters einen Kreis in der halboffenen Schutzhütte. Dahinter standen noch mehr – Frauen und Kinder und viele aus Menas Jagdtrupp – im Sonnenschein des späten Nachmittags und beugten sich vor, um zu lauschen.
    Oubadal ließ andere die Geschichte erzählen, so dass sie von einem Chor von Stimmen vorgetragen wurde. Anfangs, sagten sie, war das Wesen nichts weiter als ein Gerücht gewesen. Vor zwei Jahren hatten Fischer am westlichen Ufer des Sees die ersten Geschichten von großen Wasserkreaturen erzählt, die anscheinend die Fische fraßen, die sie bereits an der Angel hatten, und manchmal ihre Kiva-Netze zerrissen, um an die kleinen, silbrigen Fische zu kommen. Es waren viele gewesen, sagten sie, doch als sie größer wurden und leichter auszumachen waren – ihre Rückenflossen ragten aus dem Wasser, wenn sie angriffen –, begann ihre Zahl abzunehmen.
    Einmal hatten sie einen Kadaver gefunden, der ans Ufer gespült worden war; ein abscheuliches Ding, länger als ein Mann groß war, und wie ein Fisch, aber doch anders als alle Fische, die sie jemals gesehen hatten. Der Kadaver war beinahe entzweigebissen worden, etwas, das kein von Natur aus im See lebender Fisch hätte tun können. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Ungeheuer angefangen hatten, aufeinander loszugehen. Menschliche Augen sahen nichts von diesem Krieg, abgesehen davon, dass immer wieder Kadaver und Stücke missgestalteter Fischleiber ans Ufer gespült wurden und so Zeugnis von dem Kampf unter der Wasseroberfläche ablegten.
    Schließlich blieb nur eine der Kreaturen übrig, und diese konnte nun fressen, ohne von Rivalen herausgefordert zu werden. Sie wurde zu einem gewaltigen Ungeheuer mit unzähligen knolligen Ausbuchtungen an der Außenseite und einem riesigen, kreisförmigen Maul in der Mitte. Und dieses Ungeheuer sog das Leben aus dem flachen See. Fischer konnten am Ufer stehen und zusehen, wie es sich durch die Untiefen schob, gefräßig und viel zu groß, um so zu tun, als wäre es nicht da.
    Die winzigen Fische, die zu Millionen in Schwärmen im warmen Wasser gelebt hatten, waren erst in dem einen Bereich des Sees verschwunden und dann in einem anderen. Es war ein Zusammenbruch von unvorstellbaren Ausmaßen. Die

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