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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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peitschenähnlichen Schwanz. Es ähnelte den Sandechsen, die in den Hütten der talayischen Dorfbewohner lebten, dachte sie. Seine Augen sahen aus wie die jener harmlosen Kreaturen, nur dass sie viel größer waren; dennoch war ihr Ursprung noch gut zu erkennen. Sie hatte einmal gedacht, dass es neugierige Augen waren – unschuldig, ängstlich und doch voller Unheil.
    Die Kreatur hatte aber auch etwas Vogelähnliches: leuchtende Stellen am Hals, die wie Federn aussahen, einen Schopf auf der Stirn, der aus eigenem Willen vor- und zurückzuckte, wie bei einem Pfau, der sein Rad zur Schau stellte. Wenn sie den Kopf rasch auf und ab bewegte, wirkte das ziemlich drollig, wie bei der kleinen Echse, an die sie sie erinnerte, oder bei manchen Vögeln. Jetzt zog die Kreatur sich wieder zwischen die Bäume zurück, war ganz offensichtlich auf der Suche nach den saftigsten Orangen.
    Wenige Augenblicke später, nachdem sie die Hügelkuppe verlassen hatten, stauchte Mena die Fährtenleser zusammen, denn sie fand das, was sie gerade gesehen hatte, reichlich absurd. »Kommt es euch nicht merkwürdig vor, dass die Geißel von Talay Früchte frisst? Das da soll der große Drache sein, von dem die Leute gesprochen haben?« Die Jungen und Männer traten nervös von einem Bein aufs andere. »Es frisst die Früchte von Bäumen, läuft herum und wackelt dabei mit dem Kopf wie zu einer Melodie. Es ist so gefährlich wie eine Henne! Ist das tatsächlich das Wesen, das wir jagen? Schaut mir ins Gesicht und sagt mir, dass das das letzte der großen Übeldinge ist.«
    Ein paar der Männer versicherten ihr, dass sie tatsächlich dieses Geschöpf jagten. Als Mena sie bedrängte, ob besagte Kreatur die war, die sie in den letzten paar Wochen ein ums andere Mal gesehen hatten, gaben sie das zu. Als sie sie fragte, warum sie die Gerüchte über seine Größe und Wildheit nicht berichtigt hatten, schwiegen sie lange, bis einer von ihnen schließlich sagte, die Kreatur sei trotzdem gefährlich. Sie sei viel wilder, als sie aussah. Sie hatten sie fliegen sehen und …
    »Sie fliegt ohne Flügel?«, schnappte Mena. »Ich habe keine Flügel gesehen. Ihr etwa? Hat irgendjemand von euch gegen sie gekämpft? Hat einer von euch gesehen, wie sie Vieh geraubt, Häuser zermalmt, Dörfer gepeinigt hat?«
    Als keiner der Männer diesen Widerspruch erklären konnte, drehte sie sich um und ging verärgert ein paar Schritte zur Seite. Melio folgte ihr; er lachte beinahe, doch sie zischte ihn an: »Das ist eine Farce! Wissen die eigentlich, wie wir uns vorbereitet haben? All diese Vorsichtsmaßnahmen. Die Gedanken, die wir uns gemacht haben – und das alles nur wegen einer riesigen Sandechse? Ich hätte es wissen müssen: Drachen haben niemals gelebt und werden niemals leben! Wie weit ist es nur mit unserer Vernunft gekommen!«
    »Ach, weißt du«, meinte Melio feixend, »ich habe von ein paar jungen Männern gehört, die unweit des Südlichen Beckens beim Wildern erwischt wurden. Es könnte sein, dass …«
    »Wilderer? Sie haben gewildert, während wir unser Leben aufs Spiel gesetzt haben, um sie zu beschützen?«
    Melio zuckte die Schultern. »Irgendjemand nutzt so etwas immer aus, Mena. An dem Tag, an dem etwas auf der Welt passiert, ohne dass jemand eine Möglichkeit findet, irgendwie Gewinn daraus zu schlagen, führe ich splitternackt einen Freudentanz auf, und zwar vor allen, die kommen und zusehen wollen. Aber verkauf noch keine Eintrittskarten. Ich bezweifle, dass man mich jemals dazu auffordern wird.«
    Mena beugte sich zu ihm und stieß einen langen, erschöpften Atemzug aus. Sie schlang einen Arm um seine Taille, spürte seine Rückenmuskeln. »In Ordnung«, sagte sie, »diese Echse ist unser letztes Ungeheuer. Es ist kein Drache, aber wir müssen trotzdem etwas mit diesem Wesen anstellen. Bewerfen wir es mit Früchten, oder töten wir es? Vielleicht könnten wir einfach hingehen und ihm eine Schlinge um den Hals legen.«
    Melio erwiderte ihre Umarmung. »Du machst mir Spaß, Prinzessin. Manche Leute – du natürlich nicht, aber manche Leute, die klaren Verstandes sind – würden dies als Segen betrachten. Denk mal darüber nach. Du bist heute Morgen aufgewacht und warst bereit, im Kampf gegen ein furchterregendes Ungeheuer dein Leben zu riskieren. Stattdessen haben wir ein Geschenk bekommen. Es ist beinahe vorbei, Mena. Wir können von hier fortgehen und unser Leben weiterleben. Ich für meinen Teil werde sehr glücklich darüber sein, nach

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