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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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schritt Dariel, Wren an seiner Seite. Die junge Frau schien sich in dem förmlichen Trauerkleid unwohl zu fühlen. Sie war ihr Leben lang Seeräuberin gewesen, und das sah man ihr noch immer an, an ihrer lässigen, ein wenig aggressiven Haltung. Doch Mena mochte sie und hoffte, dass sie ihren Bruder noch lange glücklich machen würde. Dariel brauchte Freude. Er lachte noch immer gern und hatte stets einen Scherz auf den Lippen. Wenn er grinste, war ihm eine mutwillige Schönheit zu eigen, doch er schien zu glauben, er allein sei schuld an Alivers Tod. Wenn er sich unbeobachtet wähnte, trug er diese Last wie einen Mantel aus Blei. Mena hatte ihm des Königs Vertrauten noch nicht übergeben. Im Moment war er noch nicht bereit dafür, aber eines Tages würde er es sein.
    Andere hatten die gewaltsame Auseinandersetzung nicht überlebt. Thaddeus Clegg war im Palast gewesen, als die Numrek angegriffen hatten. Offenbar war er bei dem Gemetzel umgekommen. Weshalb er sich dort aufgehalten hatte und ob er Das Lied von Elenet entdeckt hatte, würde vielleicht niemals bekannt werden. Das Buch war unauffindbar. Corinn bezweifelte sogar, dass es überhaupt existierte. In Thaddeus’ Brusttasche hatte sich ein Zettel gefunden, auf dem zu lesen stand, wo er König Leodans Asche all die Jahre über verwahrt hatte. Dies war der Grund dafür, dass sie jetzt im Besitz der sterblichen Überreste des Königs waren.
    Leeka Alains Schicksal lag ebenfalls im Dunkeln. Einige behaupteten steif und fest, sie hätten gesehen, wie er sich den Santoth angeschlossen habe, als sie nach Vollendung ihres Zerstörungswerks wieder in ihr Exil zurückgekehrt waren. Falls man ihnen Glauben schenken konnte, war der alte General ihnen im Schutze der allgemeinen Verwirrung gefolgt. Vielleicht war er jetzt einer von ihnen. Oder aber sie hatten ihn mit ihrem Zorn einfach verdampft. Jedenfalls war er spurlos verschwunden. Man würde den Nashornreiter stets in hohem Andenken bewahren.
    Und die Welt selbst war nicht mehr dieselbe, seit die Santoth ihrem Zorn freien Lauf gelassen hatten. Mena konnte den Unterschied an nichts Bestimmten festmachen und wusste auch nicht, welche Folgen dies für die Zukunft haben würde, doch sie wusste, dass die Auswirkungen jenes grauenhaften Tages in Talay noch nicht vollständig hinter ihnen lagen. Bisweilen spürte sie die Risse im Gewebe der Schöpfung. Dann wieder hatte sie das Gefühl, die Nähte, welche die Welt zusammenhielten, drohten zu platzen. Mit der Zeit legte sich das Durcheinander in der Luft ein wenig, jedoch niemals vollständig. Die Santoth hatten an jenem Tag das Schlachtfeld mit Fluch um Fluch belegt. Sie hatten nur ein paar Stunden lang Magie gewirkt, doch wer vermochte zu sagen, wie die verstümmelten Überreste der Sprache des Schöpfers die Welt verformen würden?
    Als sie das wogende Plateau erklommen, das sich bis zu den Klippen erstreckte, blickte sich Corinn, die vor ihr ging, nach ihr um. Sie entschied sich anscheinend zu warten, damit Mena sie einholen konnte. Was für eine Offenbarung ihre Schwester doch war. Mit dem Mädchen, an das Mena sich erinnerte, hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mehr. Zwischen ihnen bestand eine angeborene Verbindung, Blutsbande im eigentlichen Wortsinn, doch ihr Umgang miteinander schien stets ein heikles Unterfangen zu sein. Es war eine unglaubliche Überraschung gewesen, dass es Corinn gelungen war, Acacia von den Mein zurückzuerobern. Dass sie dies mit Hilfe der Numrek getan hatte und eine Art Bündnis mit der Gilde geschmiedet hatte, hatte ihre jüngeren Geschwister noch mehr verblüfft. Mena und Dariel hatten geglaubt, in der Kommandokette gleich hinter Aliver zu kommen. Sie hatten geglaubt, den Krieg zu führen und sich im Mittelpunkt aller Auseinandersetzungen zu befinden. Zu entdecken, dass Corinn sie in einem befreiten Acacia erwartet hatte, dass sie unbestreitbar die Zügel in der Hand hielt, auf eine eigene Numrek-Armee und eine Schiffsflotte zurückgreifen konnte … Das musste Mena erst noch verkraften.
    Noch immer erinnerte sie sich voller Unbehagen an das Wiedersehen. Eigentlich hätte es in so vieler Hinsicht ein freudiges Ereignis sein sollen, aber... sie vermochte es nicht genau in Worte zu fassen, es war anders verlaufen als erwartet. Es war eine Woche her, seit die Santoth das Schlachtfeld von allen Mein-Soldaten geräumt hatten, die zu sehen gewesen waren. Sie und Dariel waren in den Hafen von Acacia eingelaufen. Sie hatten im Bug des Schiffes

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