Acacia
Welt - wie hast du dich gleich noch ausgedrückt? - ›besser‹ zu machen. Und die Lothan Aklun, die keiner von uns jemals zu Gesicht bekommen hat, sind eine Bedrohung, die über uns allen schwebt. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ich mich vor allem auf die zwei Mächte stütze, die ich früher am meisten verabscheut habe: auf die Gilde und die Numrek. Letzten Endes haben sie erst alles für mich möglich gemacht.«
Mena hätte beinahe gesagt, für die Sache der Akaran habe auch eine Armee gekämpft, und Tausende seien dafür gestorben. Beinahe hätte sie Alivers Opfertod erwähnt und ihre Schwester daran erinnert, dass die Santoth sehr viel mit ihrem Sieg zu tun hätten. Doch Corinn hatte nicht von ihrem Sieg gesprochen. Sie hatte die Numrek als die ihren beansprucht und für mich statt für uns gesagt. Mena hätte sie wegen alldem zur Rede stellen können, sagte aber stattdessen: »Ich werde dir helfen, wo ich kann. Sag mir einfach, was ich tun soll.«
»Du bist schon eine große Hilfe. Kümmere dich weiter darum, die Armee neu aufzubauen und eine neue Klasse von Elitesoldaten auszubilden. Wir brauchen hervorragende Kämpfer, mit Geschick und Edelmut. Wer wäre eine bessere Lehrerin als du?« Corinn lächelte schmallippig und flüchtig. »Wie ich höre, spinnen die Geschichtenerzähler bereits eine Legende über dich zusammen. Sie berichten, wie du mit einer Göttin gekämpft und sie von einem hohen Berg gestürzt hättest. Diejenigen, die die Akademie wiedereröffnen wollen, haben mir versprochen, dass sie deine Kampfweise als höchste Figur unterrichten werden. Du, meine kleine Schwester, bist genauso zur Legende geworden wie Aliver.«
»Eigentlich war es nur ein Baum«, bemerkte Mena. »Der Adler hat darin genistet. Und ich habe nicht mehr getan, als gegen ihn zu überleben.«
Corinn musterte sie mit hochgezogenen Brauen. »Die Geschichtenerzähler geben es nie richtig wieder, nicht wahr? Jedenfalls freue ich mich, dass deine Heldentat nicht dein Tod war.«
Da Mena argwöhnte, dass Corinn das Gespräch damit beenden wollte, stellte sie eine weitere Frage, die ihr auf dem Herzen lag. »Schwester, was hast du den Numrek als Gegenleistung für ihre Unterstützung versprochen? Das ist mir noch immer nicht klar.«
»Dass sie über einen großen Teil Talays herrschen dürfen, so wie sie es für richtig halten.«
Mena überlegte. »Ja, aber das scheint nicht auszureichen.«
»Das sagst du.« Corinn wandte den Blick ab, als habe sie das Interesse an der Unterhaltung verloren. »Genug geredet. Wir sind hier, um zwei Männern die letzte Ehre zu erweisen, und davon sollten wir uns nicht ablenken lassen.«
Die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, die sich bei den Klippen versammelt hatte, bot einen in vielerlei Hinsicht denkwürdigen Anblick. Alle bemühten sich, angesichts des Gestanks, den der Wind von den mit Vogelkot bedeckten Klippen zu ihnen hochwehte, nicht das Gesicht zu verziehen. Candovier standen Schulter an Schulter neben Senivalen, die wiederum neben Ausheniern standen, alle mit leuchtend weißen Gewändern bekleidet. Seeräuber von den Außeninseln mischten sich unter acacische Aristokraten. Sangae, Alivers Ersatzvater, stand inmitten einer Gruppe von Talayen, flankiert von Halaly und Balbara. Die Vumu hatten sich Adlerfedern ins Haar gesteckt. Die Bethuni hatten sich die Gesichter bemalt.
Gemäß der Tradition hoben zwei angesehene Personen, die nicht zur Familie gehörten, die Urnen vom Wagen. Der dunkelhäutige Kelis war inzwischen von der Verletzung genesen, die er sich an jenem Tag zugezogen hatte, an dem sein Freund ums Leben gekommen war. Er trug die Urne mit Alivers Asche; Melio, dessen langes, braunes Haar im Wind flatterte, hielt das Gefäß mit Leodans sterblichen Überresten. Beide waren typische Vertreter ihres Volkes und boten einen prachtvollen Anblick. So jung, dachte Mena, so stark und voller Leben. Genau so hätte Aliver es sich gewünscht.
Allerdings fragte sie sich, was er wohl von zweifelhaften Trauergästen wie Rialus Neptos gehalten hätte, der sich am Rande der Trauergesellschaft herumdrückte. Sein Gesicht war gerötet; er schniefte und hatte den Kragen des Umhangs hochgeschlagen, um seine Ohren zu schützen. Auch Sire Dagon und mehrere andere Gildenvertreter waren erschienen; sie hatten auf Stühlen Platz genommen, die von Dienern getragen worden waren. Was hatten diese Männer hier zu suchen - Männer, die Leodan im Stich gelassen und jahrelang Jagd auf Dariel
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