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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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gestanden, das früher Larken gehört hatte, und zu den Terrassen der Stadt emporgeschaut, in der sie einmal zu Hause gewesen waren. Alles war so gewesen, wie sie es in Erinnerung hatte, doch es war trotzdem ein seltsames Gefühl gewesen, weil sie so viele Jahre damit zugebracht hatte, an ihren eigenen Erinnerungen zu zweifeln.
    Hinter ihnen folgte eine bunt zusammengewürfelte Flotte mit den Überlebenden der großen Armee. Obwohl Mena wusste, dass die Kämpfer müde waren, fühlte sie sich von ihnen vorangetrieben, als wären sie der Wind, der das Schiff auf den Kai zuschob. Triumph. Erleichterung. Erschöpfung. Auch Trauer trugen sie mit sich, doch diese war bereits untrennbar mit dem Sieg vermischt. Mena bezweifelte, dass sie je wieder reine Freude empfinden würde. Bisher hatte das Leben ihr diese Freude vorenthalten; weder als junge Prinzessin noch als Maeben auf Erden, noch als Schwert schwingende Kriegerin auf der talayischen Ebene. Trotzdem sah sie die Insel voll freudiger Erwartung näher kommen. Sie kehrte endlich heim.
    Sie legten an und gingen inmitten einer ausgelassenen Menschenmenge an Land. Die Luft war vom Klang von Flöten und Zimbeln erfüllt, es duftete nach Räucherwerk und gegrilltem Fleisch, nach Eintopf und gebratenem Fisch. Die Abgesandten des Palasts, die sie begrüßten, teilten ihnen mit, dass Corinn in der Nähe auf sie warte. Und als sie den Hafen hinter sich gelassen hatten, sich in der Unterstadt durch die Menge drängten und sich der zweiten Terrasse näherten, war Corinn tatsächlich nicht zu übersehen. Sie stand auf dem ersten Absatz der Granittreppe, die zum Palast hinaufführte, inmitten eines bunt gemischten Gefolges, das anscheinend aus Beratern und Würdenträgern bestand sowie einem Trupp Numrek-Offiziere, die sich wie Leibwächter auffällig dicht in ihrer Nähe hielten. Sie trugen zwar keine besonderen Uniformen, waren aber alle in Rot-, Braun- und Kastanientöne gekleidet. Mena wusste nicht viel darüber, wie Corinn den Palast in ihre Gewalt gebracht und Hanish besiegt hatte, doch es überraschte sie, dass ihre Schwester offenbar schon eine Art Regierung gebildet hatte.
    Corinn stand im Zentrum des Arrangements. Wie wunderbar sie aussah! Mena erinnerte sich, dass sie ihre Schwester schon immer schön gefunden hatte, doch ihr Anblick war erstaunlicher, als sie erwartet hatte. Corinn trug ein langärmliges Kleid aus einem leichten, schimmernden, cremefarbenen Gewebe mit einem leichten Orangeton. Sie war kunstvoll frisiert, das Haar mit bunten Bändern zu einem Knoten gebunden, in dem mehrere Nadeln und weiße Vogelfedern steckten. Ihre zarten Gesichtzüge waren vollkommen, ihr Busen und die Hüften wurden von dem Kleid betont. Ihre Arme waren sinnlich geformt - weder zu schlank noch zu muskulös, so wie Menas -, und ihre Handgelenke und Finger waren so ausdrucksstark wie die einer Tänzerin, als sie ihnen zur Begrüßung die Hände entgegenstreckte.
    Offenkundig wartete sie darauf, dass sie zu ihr hinaufstiegen. Während sie die Stufen emporstiegen, kam Mena ein unverzeihlicher Gedanke. Sie wusste nicht, wie sie darauf kam, und hielt ihn für eine Grobheit ihres kriegsmüden Verstandes. Sie stellte sich vor, wie Corinn eine der Haarnadeln herausriss und sie ihnen entgegenschleuderte, ein vergifteter Pfeil. Wie ungut und hässlich, dass ihr so etwas in diesem Moment in den Sinn kam, der doch so freudig hätte sein sollen. Was stimmte nicht mit ihr?
    Während sie mit dieser Frage im Kopf zu Corinns Pracht aufblickte, ging Mena auf, wie sie selbst aussah: halbnackt, nur mit einem kurzen Rock und einem ärmellosen Hemd bekleidet, Arme und Beine mit blauen Flecken und Schrammen übersät, das Haar wirr und ungekämmt. Auf einmal spürte sie das getrocknete Salz auf ihren Wangen, den Schmutz in den Armbeugen und den Film aus Staub und Schweiß auf ihren mit Sandalen bekleideten Füßen. Sie blickte Dariel an. So schneidig er mit seinem offenen Seeräuberhemd und der sonnengebräunten Haut auch aussah, hatte auch er mehr Ähnlichkeit mit einem Raufbold als mit einem acacischen Prinzen. Weshalb hatten sie nicht daran gedacht, sich vorher ein wenig herzurichten?
    Auf den letzten Stufen kam Corinn ihnen schließlich doch entgegen. Sie streckte die Arme aus, die Handflächen nach oben gewandt, neigte den Kopf und lächelte freundlich. »Willkommen daheim«, sagte sie, »meine Schwester, mein Bruder. Willkommen, acacische Krieger.«
    Sie sprach weiter, Worte, die eigentümlich

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