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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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hinzuhocken und mit den Fingern im Staub zu suchen, keinen Gedanken darauf verschwendete, warum das so war.
    Erst als er die Faust um die Murmel geschlossen hatte, wurde ihm bewusst, dass er sich in einer Art Gang befand, in dem es gerade hell genug war, dass er das alte Mauerwerk der Wände erkennen konnte, viel gröber als die meisten übrigen Mauern der Festung. Eine Stille herrschte hier, ein tieferes Schweigen, als er jemals empfunden hatte. Allerdings war ein leichter Luftzug spürbar, ein Hauch an seinem Gesicht, der wie ein Flüstern vorüberhuschte.
    Und so begann seine Bekanntschaft mit dem lange vergessenen Netzwerk aus Gängen, das in früheren Zeiten den Dienern erlaubt hatte, sich ungesehen im Palast zu bewegen. Es war ein Labyrinth aus Treppen, Tunneln, Korridoren und Sackgassen, in das an manchen Stellen durch in den Stein gebohrte Löcher Tageslicht und Luft drang. Er gelangte in verlassene, vollständig eingerichtete Räume, mit Wandbehängen und Teppichen, die so dick mit Staub bedeckt waren, dass sie nur als leicht erhabene geometrische Quader sichtbar waren. Niemals begegnete er hier einem lebenden Wesen, doch er fürchtete sich schon genug vor den in die Türstürze gemeißelten Figuren, glotzäugigen Tieren, die wie Menschen auf zwei Beinen gingen und deren Körperteile von Ebern und Löwen, Eidechsen und Hyänen, Adlern und einmal auch von einem Frosch stammten, bloß dass dessen boshafte Fratze keinerlei Gemeinsamkeiten mit den lustigen Tieren aufwies, die im Frühling aus dem Boden kamen. Was für seltsame Menschen mussten so etwas geschnitzt haben! Und was für eine grauenhafte Zeit musste das gewesen sein, da die Menschen erst lernen mussten, sich von den Tieren zu unterscheiden. Einmal folgte ihm ein Affe mit goldbraunem Fell, flüchtete jedoch, als er die Figuren erblickte, sodass Dariel sich unwillkürlich fragte, ob er es ihm nicht gleichtun sollte.
    Einmal trat er aus einem langen, schmalen Gang in den Sonnenschein hinaus, und unmittelbar unter ihm schäumte die Brandung. Vorsichtig kroch er durch eine Öffnung auf ein Felsgesims hinaus und blinzelte in die Helligkeit. Er hatte einen geheimen Weg zum Meer am Nordrand der Insel entdeckt, gar nicht weit vom Vada-Tempel. Der Knabe stand da und roch die salzig-feuchte Luft, der Wind zerrte an seinem Haar. Einen Steinwurf weit entfernt wühlte ein Schwarm Fische das Wasser auf. Über ihm kreisten große Seevögel mit klaffenden Schnäbeln. Er beobachtete, wie einer die Flügel anlegte und ins Wasser hinabschoss.
    Dariel beschloss, zurückzugehen und eine Angelrute zu holen. Als er sich umdrehte, prallte eine Woge gegen den Fels. Die emporschießende Gischt traf ihn an Kinn und Brust und hob ihn hoch. Plötzlich brodelte und zischte das Wasser um ihn herum. Mit Armen und Beinen schlug er in alle Richtungen um sich, suchte nach Halt. Er klammerte sich mit Fingern und Füßen am Rand des Simses fest und zwängte schließlich den Oberkörper in einen Spalt. Einen Moment lang lag er schwer atmend da. Er hätte von der Brandung fortgerissen werden können. Niemand hätte erfahren, was ihm zugestoßen war. Er wäre einfach auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
    Bei diesem Gedanken brach er in Schluchzen aus. Er kehrte nie wieder zu dieser Stelle zurück und sprach auch mit niemandem über den Vorfall. Doch so sehr er sich auch erschreckt hatte - und obwohl er bei seinen unterirdischen Streifzügen stets Herzklopfen und feuchte Hände hatte und der geisterhafte Hauch in den Gängen seine Nackenhaare sich regen ließ wie hohes Gras in einem launischen Wind -, er genoss den Aufenthalt an diesen geheimen Orten dennoch. Auf diese Abenteuer wollte er nicht verzichten, und das würde er tun müssen, sobald jemand davon erfuhr.
    Das hieß, jemand aus der Welt des Oberen Palastes. Doch jene Menschen des Lichts machten nur einen Teil der Palastbevölkerung aus. Er fand mehrere Stellen, wo die verlassenen Korridore seiner Spielwelt mit anderen Gängen verbunden waren, die noch immer in Gebrauch waren. Diese Welt zu erkunden, war ebenso interessant. In der unterirdischen Gemeinschaft der Arbeiter, der Welt der Diener und Handwerker, der Köche und Bauarbeiter, die dafür sorgten, dass das Leben im Palast reibungslos vonstattenging, dort war Dariel bekannt und beliebt. In Gesellschaft dieser Menschen fühlte er sich so wohl wie sonst nie unter Erwachsenen - seinen innig geliebten Vater ausgenommen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an ihn gewöhnten und ihre

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