Accelerando
Köpfe, und
dazu eine verblüffende Kombination von Nanotechnologie und einer
Kartierung der Spin-Resonanz von Elektronen benutzt haben. Und jetzt
laufen wir als Software auf einem Betriebssystem, das dazu erschaffen
wurde, verschiedenartige physikalische Modelle zu virtualisieren und
für eine Simulation der Realität zu sorgen, die uns nicht
aufgrund sensorischer Deprivation in den Wahnsinn treibt! Und dieses
ganze Paket ist etwa so groß wie eine Fingerspitze und wurde in
ein Raumschiff gestopft, das nicht größer ist als der alte
Walkman eurer Großmütter. Wir befinden uns in der
Umlaufbahn um einen Braunen Zwerg, der etwas mehr als drei Lichtjahre
von zu Hause entfernt ist. Und sind drauf und dran, uns in einen
Netzwerk-Router einzustöpseln, den unglaublich alte fremdartige
Intelligenzen geschaffen haben. Und ihr wollt mir weismachen, die
Vorstellung, dass sich in der Lage der Menschheit ein fundamentaler
Wandel vollzogen habe, sei Unsinn?«
»Mhm.« Boris wirkt verblüfft. »So würde
ich es nicht ausdrücken. Die Singularität ist
Quatsch, nicht das Uploading oder…«
»Tja, stimmt.« Ang lächelt Boris so gewinnend an,
dass er gleich darauf einlenkt.
Donna strahlt sie begeistert an. »Faszinierend! Sagen Sie
mir, was sind das für Hummer, die Sie für so wichtig
halten?«
»Es sind Ambers Freunde«, erklärt Ang. »Vor
Jahren hat Ambers Vater einen Handel mit ihnen abgeschlossen. Die
Hummer waren die ersten Uploads, wissen Sie? Eine Kreuzung aus dem
Nervengewebe von Stachelhummern, einer heuristischen
Programmierschnittstelle und irgendwelchen backward-chaining- Expertensystemen. Sie sind aus ihrem Labor entwischt und ins Netz
gelangt, und Manfred hat einen Handel vermittelt, um sie freizusetzen
– als Gegenleistung dafür, dass sie dabei helfen, eine
Orbitalfabrik für das Franklin-Kollektiv zu betreiben. Das ist
schon ewig lange her; es war am Anfang dieser ganzen Entwicklung, ehe
man wusste, wie man die Eigenmontage richtig anpackt. Jedenfalls
haben die Hummer darauf bestanden – es war Teil ihres Vertrags
–, dass Bob Franklin die Kosten für eine bestimmte
Operation übernimmt: Das Deep Space Network der NASA hat sie auf
ihren Wunsch in den interstellaren Raum gebeamt, denn sie wollten
emigrieren. Und wer will es ihnen verübeln, wenn man sich
ansieht, was seither mit dem Sonnensystem geschehen ist?«
Pierre nimmt einen großen Schluck Sangria. »Die
Katze«, sagt er.
»Die Katze…« Donnas Kopf fahrt herum, doch Aineko
ist so schlagartig, wie sie aufgetaucht ist, wieder verschwunden und
hat im Nachhinein ihre Spuren im Ereignishorizont dieses
öffentlichen Ortes gelöscht. »Was ist mit der
Katze?«
»Es ist die Familienkatze«, erklärt Ang und
greift mit gerunzelter Stirn nach Boris’ Glas mit dem
Quallen-Cocktail. »Aineko hatte damals noch kein Bewusstsein;
doch später…, als SETI@home vor wer weiß wie vielen
Jahren irgendwann eine gewisse Botschaft empfing, fielen Aineko die
Hummer wieder ein. Und Aineko hat den Code der Botschaft
tatsächlich geknackt, während alle CETI-Teams noch in
Begriffen der von-Neumann-Strukturen und konzeptorientierter
Programmierung dachten. Die Botschaft bestand aus einem semantischen
Netz. Dieses Netz war so beschaffen, dass es sich perfekt mit dem
Netz verbinden konnte, das die Hummer vor all den Jahren zur
Transmission benutzt hatten. Auf diese Weise sorgt es gleichzeitig
für ein high-level Interface zu einem Kommunikationsnetz,
dem wir in Kürze einen Besuch abstatten werden.« Sie
drückt Boris’ Fingerspitzen. »SETI@home hat diese
Koordinaten als Quelle der Übertragung protokolliert, obwohl
öffentlich verbreitet wurde, die Botschaft komme von viel weiter
her. Man wollte verhindern, dass eine Panik ausbricht. Und das
hätte ja passieren können, hätten die Menschen
erfahren, dass es direkt vor unserer Haustür Aliens im Kosmos
gibt. Jedenfalls beschloss Amber, als sie sich erst einmal etabliert
hatte, diesen Aliens einen Besuch abzustatten. Deshalb diese
Expedition. Aineko hat einen virtuellen Hummer geschaffen und das
ET-Paket ins Kreuzverhör genommen; deshalb sind wir
überhaupt auf diesen Kommunikationskanal gestoßen, den wir
demnächst öffnen werden.«
»Ah, jetzt wird alles ein bisschen klarer«, sagt Donna.
»Aber diese Klage…« Sie wirft einen Blick zu dem
hohlen Wicker Man in der Ecke hinüber.
»Nun ja, da haben wir ein Problem«, bemerkt Ang
diplomatisch.
»Nein«, sagt Pierre. »Ich habe ein Problem.
Und das ist allein
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