Accelerando
äußerst verwirrend. Die Wände sind
aus Stein. Sie steht am Eingang zu einem Zimmer, dessen einziges
Mobiliar aus einem Bett besteht. Und darauf liegt…
»Scheiße«, fährt es Amber heraus. »Wer
bist du?« Die junge und unglaublich schöne Frau – eine
klassische Schönheit – sieht sie mit leerem Blick an und
wälzt sich gleich darauf auf die Seite. Sie trägt keinen
Faden am Leib und ist, abgesehen vom Kopfhaar, völlig unbehaart.
Die träge Pose ist eindeutig als Einladung zu verstehen.
»Also?«, fragt Amber. »Was ist jetzt?«
Die Frau auf dem Bett winkt sie lässig zu sich herüber.
Amber schüttelt den Kopf. »Tut mir Leid, aber ich glaube,
ich bin hier im falschen Film.« Mit wackeligen Schritten, weil
sie die hohen Absätze nicht gewöhnt ist, zieht sie sich auf
den Gang zurück. »Das hier ist irgendeiner
Männerfantasie entsprungen, stimmt’s? Dazu noch einer
ziemlich blöden pubertären Fantasie.« Erneut sieht sie
sich um. In einer Richtung führt der Gang an weiteren offenen
Türen vorbei, in der anderen endet er an einer Wendeltreppe.
Amber konzentriert sich und versucht dem Universum zu befehlen, sie
an den Bestimmungsort zu bringen, den die Logik nahe legt, doch es
tut sich nichts. »Sieht ganz so aus, als müsste ich es auf
die harte Tour versuchen. Wenn doch nur…« Sie runzelt die
Stirn. »Wenn doch nur… hier wäre«, hatte sie
sagen wollen, doch wen sie sich herbeigewünscht hat, fällt
ihr nicht mehr ein. Also holt sie tief Luft und geht auf die
Wendeltreppe zu.
»Hinauf oder hinunter?«, fragt sie sich. Hinauf – das scheint logisch, wenn man einen Turm hat und oben schlafen
kann. Also steigt sie vorsichtig die Wendeltreppe hinauf und
hält sich am Geländer fest. Frage mich, wer diesen Ort
entworfen hat und welche Rolle ich spielen soll, damit ich in
deren Szenario hineinpasse. Als sie näher darüber
nachdenkt, kommt ihr die zweite Frage lächerlich vor. Wartet
nur ab, was der von mir zu hören bekommt…
Am Ende der Treppe befindet sich eine schlichte Holztür mit
einem Schnappriegel, der nicht eingerastet ist. Amber bleibt einige
Sekunden stehen und wappnet sich für die Auseinandersetzung mit
einem Schläfer, der dermaßen in Solipsismus befangen ist,
dass er diese – einer sexuellen Fantasie entsprungene –
Festung um sich errichtet hat. Hoffe, es ist nicht Pierre, denkt sie voller Ingrimm, während sie die Tür
aufstößt.
Dahinter liegt ein leerer Raum mit Holzfußboden. Möbel
gibt es hier nicht, nur ein offenes Fenster, das oben in eine Wand
eingelassen ist. Mit dem Rücken zu ihr sitzt ein Mann, der ein
Gewand trägt, im Schneidersitz auf dem Boden, murmelt leise vor
sich hin und nickt leicht. Als sie merkt, wer es ist, stockt ihr der
Atem. O Scheiße! Ihre Augen werden immer
größer. Hat er das schon die ganze Zeit im Kopf
gehabt?
»Ich habe dich nicht zu mir bestellt«, sagt Sadeq ruhig
und dreht sich nicht einmal nach ihr um. »Weiche von mir,
Versucherin. Du bist nicht real.«
Amber räuspert sich. »Tut mir Leid, Sie zu
enttäuschen, aber Sie irren sich in mir. Wir müssen ein
Alien, ein Monster fangen. Wollen Sie mit auf die Jagd
gehen?«
Sadeq hört auf zu nicken, setzt sich langsam auf, streckt
sein Kreuz, steht auf und dreht sich um. Seine Augen funkeln im
Mondlicht. »Das ist wirklich seltsam.« Er zieht sie mit
seinem Blick aus. »Du siehst wie jemand aus, den ich früher
einmal kannte. Das hast du ja noch nie gemacht.«
»Scheiße noch mal!« Amber explodiert fast,
fängt sich jedoch gleich wieder. »Was ist das hier?
Ein Treffen im Stiftshaus der Vereinigten Solipsisten?«
»Ich…« Sadeq wirkt verwirrt. »Tut mir Leid,
behauptest du wirklich, real zu sein?«
»So real wie Sie.« Amber greift nach seiner Hand. Als
sie ihn zur Tür zerrt, setzt er ihr keinen Widerstand
entgegen.
»Sie sind hier meine erste Besucherin überhaupt.«
Er klingt schockiert.
»Hören Sie, kommen Sie mit.« Sie zieht ihn hinter
sich her, die Wendeltreppe hinab bis zum darunter liegenden
Stockwerk. »Möchten Sie wirklich hier bleiben?« Sie
sieht ihn über die Schulter an. »Was ist das überhaupt
für ein Ort?«
»Die Hölle ist ein pervertierter Himmel«, sagt er
bedächtig und fährt sich mit den Fingern der freien Hand
durch den Bart. Unvermittelt streckt er die Hand aus, fasst Amber um
die Taille und zieht sie an sich. »Wollen doch mal sehen, wie real du bist…« Amber, an eine solche Behandlung
nicht gewöhnt, reagiert darauf, indem sie gegen seinen
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