Accelerando
aus Hasenställen, in denen
es vor Polizeibürokraten in verschiedenen Stadien der
Telepräsenz wimmelt, wartet der Ermittler. In den Händen
hält er einen durchweichten Karton, der mit Bindfaden
verschnürt es. »Bitte identifizieren Sie das«,
fordert er Amber auf und durchtrennt die Schnur.
Benommen vom Ansturm der Agenten, die sich zurückmelden,
um ihre Aufzeichnungen in Ambers Arbeitsspeicher zu integrieren,
schüttelt sie den Kopf. »Ist es…«, beginnt
sie, aber da hebt sich bereits der Deckel, dessen feuchte Pappe
bröckelt. Neugierig schießt ein dreieckiger Kopf heraus
und schnuppert. Die mit braunem Fell überzogenen
Nasenflügel produzieren Bläschen.
»Warum hast du so lange gebraucht?«, fragt die Katze,
als Amber in den Karton greift und sie herauszieht. Ainekos Pelz
ist feucht und vom Meerwasser verfilzt.
»Falls ich das Alien für euch aus dem Verkehr ziehen
soll, verlange ich als Erstes, dass ihr mir die Berechtigung zur
Veränderung von Realitäten einräumt«,
erklärt Amber. »Danach möchte ich, dass ihr die
letzten Verkörperungen aller Menschen aufspürt, die mit mir
hierher gekommen sind – kreist die üblichen
Verdächtigen ein –, und ihnen ebenfalls Root- Berechtigungen erteilt. Anschließend werden wir Zugang zu den
anderen Universen fordern, die in die DMZ eingebettet sind. Und als
Letztes verlange ich Waffen, jede Menge Waffen.«
»Das könnte sich als schwierig erweisen«, erwidert
der Geist. »Viele andere Menschen haben längst den
Endzustand ihres Programms erreicht. Mindestens einer ist zwar noch
am Leben, aber nicht verfügbar, solange das derzeitige
eschatologische Experiment noch andauert. Nicht von allen hat die
Kontrollmaschine für die jeweilige Version Aufzeichnungen
gemacht. Andere sind/ist in der DMZ verloren gegangen. Wir
sind/können dich mit sehr weit reichendem Zugang zur
demilitarisierten Zone versorgen, stellen jedoch in Frage, ob
tatsächlich Waffen mit kinetischer Energie nötig
sind.«
Amber seufzt. »Was den Umgang mit Medien betrifft, seid ihr
Leute wirklich Analphabeten, stimmt’s?«
Als sie aufsteht und sich streckt, spürt sie in ihren Muskeln
etwas, das der Schlaffheit nach langem Schlaf gleicht.
»Außerdem brauche ich meine…« Es liegt ihr auf
der Zunge, aber sie kommt nicht darauf. Irgendetwas fehlt ihr.
»Warte. Es gibt da etwas, an das ich mich im Moment nicht
erinnern kann.« Und es ist etwas Wichtiges, denkt sie
verblüfft. Etwas, das früher ständig in meiner
Nähe war. Etwas, das… Bescheid wusste?…
schnurrte?… mich unterstützte? »Ach, egal«,
hört sie sich sagen. »Dieser andere Mensch – zu dieser
Person möchte ich unbedingt Zugang haben. Darüber lasse ich
nicht mit mir verhandeln. In Ordnung?«
»Das könnte sich als schwierig erweisen«,
wiederholt das Gespenst. »Diese Entität befindet sich in
einer Zeitschleife, in einem ständig wiederkehrenden
geschlossenen Universum.«
»Äh?« Amber zwinkert das Gespenst ungläubig
an. »Könntest du das bitte noch einmal in anderen Worten
ausdrücken? Oder illustrieren?«
»Illustration.« Das Gespenst faltet die Luft im Zimmer
so, dass eine leuchtende Plasma-Kugel in Form einer Klein-Flasche
entsteht. Als Amber hinüberblickt, muss sie schielen. »Der
engste Bezug zu Gegebenheiten in der menschlichen Geschichte liegt in
Descartes’ Dämon. Diese separate Informationseinheit hat
sich in einen geschlossenen Raum zurückgezogen, ist inzwischen
jedoch unsicher, ob sie, objektiv gesehen, real ist oder nicht.
Jedenfalls weigert sie sich zu interagieren.«
»Also gut, kannst du mich in diesen Raum
befördern?« Mit Taschenuniversen kennt Amber sich aus, sie
sind ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. »Gib mir
irgendeinen Ansatzpunkt…«
»Dieser Schritt könnte sich als gefährlich
erweisen«, warnt das Gespenst.
»Das ist mir egal«, entgegnet sie gereizt. »Bring
mich einfach dorthin. Es ist jemand, den ich kenne, nicht wahr?
Schick mich in ihren Traum, dann wecke ich sie auf, okay?«
»Verstehe. Mach dich bereit.«
Ohne Vorwarnung findet sich Amber an einen anderen Ort versetzt.
Als sie sich umsieht, bemerkt sie einen dekorativen Fußboden
aus Mosaik, weiß getünchte Steinwände und
geöffnete Fenster, durch die schwach funkelnde Sterne am
Abendhimmel zu sehen sind. Statt ihrer Kleidung trägt sie jetzt
sexy Unterwäsche unter einem fast durchsichtigen Gewand, und ihr
Haar ist rund fünfzig Zentimeter länger. Das alles
empfindet sie als
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