Accelerando
»Selbstverständlich habe ich noch Interesse an dir. Du bist der größte,
schlimmste Blödmann, der mir je untergekommen ist. Was glaubst
du denn, warum ich hier bin?«
»Heißt das, dass du wieder mit mir verlobt sein
möchtest?«
»Die Verlobung war ja nie gelöst, Manny. Sie lag nur
für gewisse Zeit auf Eis, um dir Gelegenheit zu geben, dass du
dir über gewisse Dinge klar wirst. Ich bin davon ausgegangen,
dass du Freiraum brauchst. Nur bist du noch immer nicht zur Ruhe
gekommen, rennst…«
»Tja, hab’s kapiert.« Er entzieht ihr seine Hand.
»Und was ist mit diesen Kätzchen?«
»Was für Kätzchen?« Sie sieht ihn verwirrt
an.
»Besser, wir reden nicht davon. Warum bist du in diese Bar
gekommen?«
Sie runzelt die Stirn. »Ich musste dich so schnell wie
möglich finden. Ich höre nämlich ständig
Gerüchte über irgendeine KGB-Verschwörung, in die du
verstrickt sein sollst. Man munkelt, du seiest ein kommunistischer
Spion. Das ist doch nicht wahr, oder?«
»Wahr?« Er schüttelt verblüfft den Kopf.
»Den KGB gibt’s doch schon seit zwanzig Jahren nicht
mehr.«
»Sei vorsichtig, Manny, ich will dich nicht verlieren. Das
ist ein Befehl. Bitte!«
Als der Fußboden knarrt, blickt er sich um. Hinter ihnen
tauchen Dreadlocks und dunkle Brillengläser mit flackernden
Lämpchen dahinter auf: Bob Franklin. Vage erinnert sich Manfred
daran – es gibt ihm einen Stich ins Herz –, dass Franklin
Miss Arianespace im Schlepptau hatte, als er kurz vor dem allgemeinen
Besäufnis die Bar verließ. Sie ist ein Typ, der ihn
anmacht, wenn auch sicher in anderer Hinsicht als Pamela, denn Bob
sieht keineswegs mitgenommen aus.
Manfred übernimmt die Vorstellung: »Bob, das hier ist
Pam, meine Verlobte. Pam – Bob.« Bob stellt ihm ein
gefülltes Glas hin. Manfred hat zwar keine Ahnung, was es
enthält, aber es abzulehnen wäre unhöflich.
»Alles klar. – Äh, Manfred, kann ich kurz mit Ihnen
reden? Über das, was Sie gestern Abend vorgeschlagen
haben?«
»Selbstverständlich. Meine Begleiterin ist
vertrauenswürdig.«
Bob zieht zwar eine Augenbraue hoch, entschließt sich jedoch
zum Reden. »Es geht um das Produktionskonzept. Ich habe eine
Gruppe meiner Leute damit beauftragt, mit FabLab-Hardware Prototypen
zu konstruieren. Ich glaube, wir können’s schaffen. Zwar
gibt der Aspekt des Cargo-Kults dem alten Neumann’schen
Fabrikprojekt auf dem Mond eine neue Wendung, aber Bingo und Marek
sagen, es müsste so lange funktionieren, bis wir die Verbindung
zu einer nanolithografischen Ökologie vor Ort herstellen und
unsere Systeme darauf stützen können. Wir betreiben das
Ganze von der Erde aus als Trainingslabor und verschiffen die Teile,
die man vor Ort nur mit großer Mühe herstellen kann,
sobald wir wissen, wie wir’s bewerkstelligen können.
Für alle kritischen Elektronen nutzen wir Field Programming Gate
Arrays, FPGAs, und halten die Kosten niedrig. Ihr Ratschlag, die sich
selbst reproduzierende Fabrikationsanlage ein paar Jahre vor dem
Robotik-Boom zu erwerben, war ein guter Tipp. Allerdings frage ich
mich, was mit der Intelligenz vor Ort ist. Sobald der Komet sich mehr
als einige Lichtminuten entfernt…«
»Das können Sie nicht steuern, wegen der
Verzögerung des Feedbacks. Also wollen Sie eine Mannschaft
hinaufschicken, wie?«
»Tja, aber wir können keine Menschen schicken, ist viel
zu teuer. Außerdem ist es ein Einsatz auf fünfzig Jahre,
selbst wenn wir die Fabrik für absehbare Zeit auf
Raumtrümmern des Kuiper-Gürtels errichten. Ich glaube auch
nicht, dass wir es in diesem Jahrzehnt noch schaffen, eine spezielle
K.I. so zu programmieren, dass sie eine solche Fabrik steuern
könnte. Was fällt Ihnen dazu ein?«
»Lassen Sie mich nachdenken.« Pamela wirft Manfred schon
eine ganze Weile finstere Blicke zu, aber es dauert ein bisschen, bis
er es bemerkt. »Ja?«
»Was geht da vor? Wovon redet ihr?«
Franklin zuckt so heftig die Achseln, dass die mit Perlen
verzierten Dreadlocks klimpern. »Manfred hilft mir dabei,
Lösungsmöglichkeiten für ein Produktionsproblem zu
finden.« Er grinst. »Wusste gar nicht, dass Manfred eine
Verlobte hat. Ihr Getränk geht auf meine Rechnung.«
Sie blickt zu Manfred hinüber, der in den bizarren bunten
Raum späht, den sein Metacortex auf die Brille projiziert. Seine
Finger zucken. »Unsere Verlobung haben wir auf Eis gelegt,
während er über seine Zukunft nachgedacht hat«,
bemerkt sie kühl.
»Aha. Zu meiner Zeit haben wir uns um solche Dinge
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