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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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ist ein
großartiges Programm für vertrauliche Gespräche
– und andere Dinge. Wir könnten wunderbar miteinander
auskommen, unsere Verdoppelungen haben es wirklich gut angehen
lassen…«
    Mit brennendem Gesicht springt Sirhan auf und wendet sich ab.
»Nein, vielen Dank auch!«, fährt er sie an,
wütend auf sich selbst. »Und tschüss!« Seine
anderen Verkörperungen, deren Tätigkeiten er durch die
emotionale Überreaktion unterbrochen hat, zischen voller
Empörung. Ritas verletzte Miene gibt ihm den Rest: Der Killfile schnappt zu und lässt das Mädchen zu einem
undeutlichen schwarzen Fleck an der Wand erstarren. Mit seinem Gehirn
legt er eine Trennwand zwischen Rita und sich, dreht sich um und
verlässt den Schauplatz seiner Erniedrigung. Er kocht vor Wut
auf seine Mutter, die ihm so übel mitgespielt hat. So übel, dass er sich selbst ins Gesicht sehen musste,
während er die Agonie körperlicher Leidenschaft
durchlitt.
     

     
    In einer der unteren Kugeln – sie ist mit silberblauen
Dichtungspolstern verkleidet, die Isolierband zusammenhält
– diskutieren die treibenden Kräfte der Accelerationista- Fraktioninzwischen darüber, wie sie an
die Macht kommen und diese zu Aktionen mit annähernder
Lichtgeschwindigkeit nutzen können.
    »Die Geschwindigkeit löst nicht all unsere Probleme.
Beispielsweise ist sie keine Lösung, wenn das falsche Vakuum
zusammenbricht«, sagt Manfred mit Nachdruck. Das erste Glas
Fruchtbowle, das er seit fast zwanzig Echtzeit-Jahren genossen hat,
zeigt Wirkung: Er hat Mühe mit der Koordination und nuschelt die
Vokale. Sein Körper ist noch jung und wenig ausgeprägt, das
Haar voll. Das alte Dogma, niemals Implantate zu benutzen, hat er
schließlich doch noch über Bord geworfen. Mit Hilfe
mehrerer Interfaces kann er sich alle Prozesse des Exocortex
einverleiben, die er früher auf simplen Turingmaschinen
außerhalb seines Körpers verfolgt hat. Allerdings pflegt
er nach wie vor einen eigenen Stil: Als Einziger im Raum trägt
er weder Smoking noch sonstige Abendkleidung. »Der
quantenverschränkte Austausch und Handel via Router ist ja
schön und gut, aber wir können damit nicht dem Universum
selbst entkommen – irgendeine Phasenumwandlung oder ein
Phasenübergang wird uns früher oder später einholen.
Irgendwann und irgendwo wird das Netzwerk sein Ende finden. Und was
wird dann aus uns, Sameena?«
    »Das stelle ich doch gar nicht in Frage.« Die
angesprochene Frau – sie trägt einen grün-goldenen
Sari und so viel Gold und echte Edelsteine am Leib, dass ein
Maharadscha im Mittelalter dafür ein Vermögen hätte
ausgeben müssen – nickt nachdenklich. »Aber bislang
ist ja noch gar nichts passiert. Und wir haben Beweise dafür,
dass übermenschliche Intelligenzen seit Gigajahren in diesem
Universum herumgeistern. Also besteht guter Grund zur Annahme, dass
die schlimmsten denkbaren Katastrophen nicht eintreten werden.
Außerdem wissen wir, ehrlich gesagt, ja gar nicht, wozu die
Router dienen und wer sie geschaffen hat. Und bis dahin…«
Sie zuckt die Achseln. »Ich will ja niemandem zu nahe treten,
aber wir müssen doch auch daran denken, welche Folgen das
Eindringen in den Router letztes Mal hatte.«
    »Stimmt nicht ganz, es ist sehr wohl schon einiges passiert.
Wenn ich richtig informiert bin, steht der missratene Nachwuchs der Idee, die Router zu nutzen, keineswegs so ablehnend
gegenüber, wie wir altmodischen Metamenschen es vielleicht gern
hätten.« Manfred runzelt die Stirn und versucht sich eine
Anekdote ins Gedächtnis zu rufen, an die er sich nur noch
schwach erinnert. Gegenwärtig experimentiert er mit einem neuen
Algorithmus zur Komprimierung abgespeicherter Erinnerungen, den er
deshalb braucht, weil er in früheren Jahren alles wahllos im
Gedächtnis bewahrt hat. Allerdings hat dieser Algorithmus auch
Nebenwirkungen: Manchmal hat Manfred ein Gefühl, als müsse
er gleich ein ganzes Universum von Erinnerungen ausspucken.
»Also sind wir uns offenbar hundertprozentig einig, dass wir mehr über das in Erfahrung bringen müssen, was vor
sich geht. Wir müssen herausfinden, was die da draußen
tun. Ständig verzeichnen wir kosmische Hintergrund-Anisotropien,
erzeugt von der Abwärme der Rechenprozesse, die sich über
Millionen von Lichtjahren erstrecken. So etwas bringt nur eine
große interstellare Zivilisation fertig, und die ist offenbar
nicht in dieselbe Mausefalle getappt wie die örtlichen, auf
Matroschka-Gehirnen basierenden Zivilisationen. Außerdem

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