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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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eines intelligenten Netzwerks?«,
fragt Alan.
    »Nein.« Manfred schüttelt den Kopf und grinst.
»Hätte mir ja denken können, dass Sie Vernor Vinge
gelesen haben… Oder haben Sie den Film gesehen? Nein, ich bin
der Meinung, dass es von der Logik her nur eine einzige Sache geben
kann, die da draußen hin- und hergeschickt wird; und vielleicht
erinnern Sie sich daran, dass ich Sie vor, äh, etwa neun Jahren
darum bat, genau diese Sache auszustrahlen?«
    »Die Hummer.« Alans Augen verlieren jeden Ausdruck.
»Neun Jahre – so lange dauert es doch bis zu Proxima
Centauri und zurück, stimmt’s?«
    »In etwa, ja«, erwidert Manfred. »Und denken Sie
daran, dies stellt eine obere Grenze dar. Die Botschaft kann durchaus
von einem Punkt gekommen sein, der näher liegt. Wir wissen, dass
das erste Signal, das SETI aufgefangen hat, an einem Punkt
abgeschickt wurde, der um einige Grad abweicht und mehr als hundert
Lichtjahre entfernt liegt. Aber beim zweiten Signal betrug die
Entfernung nicht einmal drei Lichtjahre. Sicher verstehen Sie jetzt,
warum das nicht bekannt gegeben wurde: Vielleicht wäre es sonst
zu einer Panik gekommen. Und das Signal stellt nicht einfach ein Echo
des Hummer-Transfers dar. Meiner Meinung nach ist es Teil einer
diplomatischen Mission, die auf Austausch aus ist. Allerdings haben
wir das Signal noch nicht entschlüsseln können. Verstehen
Sie jetzt, warum wir mit dem Brecheisen an die Frage der
bürgerlichen Rechte herangehen müssen? Wir brauchen einen
gesetzlichen Rahmen für Rechte, die auch für
nicht-menschliche Wesen gelten sollen, und wir brauchen ihn so
schnell wie möglich. Wenn die Nachbarn uns besuchen kommen,
könnte sonst…«
    »Okay«, sagt Alan, »ich werde mit meinen Leuten
reden müssen. Vielleicht können wir uns auf irgendetwas
einigen, solange klar ist, dass es ein vorläufiger Vorstoß
für einen gesetzlichen Rahmen ist und keine
Dauerlösung?«
    Annette schnaubt. »Eine Lösung gilt doch nie für
alle Zeiten!« Monica sucht ihren Blick und zwinkert ihr zu. Die
offene Zurschaustellung einer Meinungsverschiedenheit innerhalb des
Synzytiums schockiert Annette.
    »Nun ja«, sagt Manfred, »ich schätze, mehr
können wir nicht verlangen?« Offenbar hat er Hoffnung
geschöpft. »Danke für Ihre Gastfreundschaft, aber ich
glaube, ich sollte mich eine Weile ins eigene Bett legen. Musste mir
vieles ins Gedächtnis einprägen, während ich nicht mit
dem Netz verbunden war, und ich will es aufzeichnen, ehe ich wieder
vergesse, wer ich bin.« Annette atmet im Stillen erleichtert
auf.
     

     
    Später am Abend klingelt es an einer Haustür.
    »Wer ist da?«, fragt die Sprechanlage.
    »Äh, ich«, erwidert der Mann auf den Stufen. Er
wirkt leicht verwirrt. »Bin Macx. Bin hier, um…
jemanden«, der Name liegt ihm auf der Zunge, »zu
treffen.«
    »Kommen Sie herein.« Als der Drücker summt, schiebt
er die Tür auf, die sich hinter ihm sofort schließt. Seine
mit Metall beschlagenen Stiefel hallen auf dem harten Steinboden
wider. Die kühle Luft riecht schwach nach nicht verbranntem
Düsentreibstoff.
    »Bin Macx«, wiederholt er unsicher. »Oder
war’s für kurze Zeit.
    Hab Kopfweh davon gekriegt. Aber jetzt bin ich wieder ich selbst
und möchte ein anderer sein… Können Sie mir
helfen?«
     

     
    Noch später am Abend sitzt eine Katze auf einem Fenstersims
und beobachtet, hinter den Gardinen versteckt, das Innere eines
abgedunkelten Zimmers. Für menschliche Augen ist es dunkel im
Raum, aber nicht für Katzenaugen. Die Katze mustert die Kaskaden
von Mondlicht, die still über Wände und Möbel gleiten,
das zerknüllte Bettzeug und die zwei nackten Menschen, die eng
ineinander verschlungen in der Bettmitte liegen.
    Beide sind in den Dreißigern. Das kurz geschnittene Haar der
Frau beginnt bereits grau zu werden – es ist von distinguiert
wirkenden stahlgrauen Strähnen durchzogen –, während
der braune Haarschopf des Mannes noch keine Alterserscheinungen
aufweist. Für die Katze, die das alles mit Hilfe mehrerer
künstlicher Sinnesorgane beobachtet, sieht es so aus, als
leuchte der Kopf der Frau im Spektrum von Mikrowellen und als
bildeten die Emissionen beider Pole einen schwachen Heiligenschein um
den Schädel. Der Mann hat keine solche Aura: Gemessen an den
Ereignissen dieses Tages und an seinem Alter, wirkt er
unnatürlich natürlich, obwohl er seine Brille
seltsamerweise auch im Bett trägt. Deren Gestell funkelt
ähnlich wie der Kopf der Frau. Von beiden Menschen

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