Accelerando
völliger
Missachtung der menschlichen Zuschauer zu putzen. »Ganz zu
schweigen von K.I.-Experimenten, die sich für natürlich und
real halten«, fügt Manfred hinzu. »Und
Aliens.«
Annette erstarrt und sieht ihn scharf an. »Manfred! Du sollst
doch nicht…«
Manfred beobachtet Alan, der offenbar der am stärksten
involvierte Nachlassverwalter des toten Milliardärs ist. Selbst
Alans Gesichtsausdruck erinnert Annette an Bob Franklin, den sie
Anfang des Jahrzehnts in Amsterdam kennen gelernt hat – als
Manfred noch Eigentum seines persönlichen Hausdrachens war.
»Aliens«, wiederholt Alan mit zuckender Augenbraue.
»Geht es dabei um das Signal, das SETI bekannt gegeben hat? Oder
um das, äh, andere? Und wie lange wissen Sie schon
davon?«
»Gianni mischt bei vielen Dingen mit«, bemerkt Manfred
ironisch. »Und hin und wieder reden wir immer noch mit den
Hummern – Sie wissen doch, dass sie nur ein paar Lichtstunden
entfernt sind, oder nicht? Die Hummer haben uns von den Signalen
erzählt.«
»Aha.« Alans Augen werden einen Moment lang glasig.
Annettes Helfer zeigen ihr, was dahintersteckt: Von seinem Hinterkopf
strömt künstliches Licht aus; seine komplette sensorische
Bandbreite saugt gegenwärtig einen immensen
Peer-to-Peer-Download vom Serverstaub auf, der jeden Raum im
Gebäude wie eine Tapete überzieht.
Monika, die verärgert wirkt, klopft mit den Fingernägeln
gegen die Rückenlehne ihres Stuhls. »Die Signale, richtig.
Warum wurde nichts darüber veröffentlicht?«
»Über das erste Signal wurde berichtet«,
widerspricht Manfred. Annette runzelt die Stirn. »Wir konnten es
gar nicht vertuschen, denn jeder Mensch mit einer entsprechend
ausgerichteten Satellitenschüssel im Garten konnte es empfangen.
Allerdings glaubt die Mehrheit derer, die Interesse an Geschichten
über Begegnungen der dritten Art haben, ja sowieso, dass die
Aliens jeden Dienstag oder Donnerstag vorbeischauen, um
Rektaluntersuchungen an Menschen vorzunehmen. Und die anderen halten
es zumeist für eine Zeitungsente. Falls nicht, kratzen sie sich
am Kopf und fragen sich, ob es sich nicht einfach um ein neues
kosmisches Phänomen handelt – ein Gebilde, das Signale sehr
geringer Entropie aussendet. Die übrigen sechs zerfallen in
fünf, die den Inhalt der Botschaft gern in die Finger
bekämen, und einen, der fest davon überzeugt ist, dass es
sich um einen Schabernack handelt. – Und das zweite Signal, nun
ja, war so schwach, dass es nur von dem Netzwerk empfangen wurde, das
den tiefen Raum absucht.«
Manfred müht sich mit der automatischen Einstellung des
Bettes ab. »Ein Schabernack ist es nicht«, fährt er
fort, »aber beim ersten Mal wurden nur circa sechzehn Megabits
Informationen aufgefangen und beim zweiten Mal vielleicht doppelt so
viel. Die Geräusche sind ziemlich laut, die Signale wiederholen
sich nicht, ihre Wellenlänge deutet nicht auf eine Primzahl hin,
und es existiert, soweit erkenntlich, keine übergeordnete
Information zur Beschreibung des internen Formats – deshalb ist
es nicht leicht, daraus irgendwie schlau zu werden. Was die Sache
noch schlimmer macht: Das starrköpfige, gewinnsüchtige
Management von Arianespace« – er blickt zu Annette
hinüber, als erwarte er von ihr eine Reaktion darauf, dass er
ihre früheren Arbeitgeber erwähnt – »kam zu der
Ansicht, es sei das Beste, das zweite Signal zu vertuschen und es
heimlich zu entschlüsseln. ›Um der Konkurrenz eine
Nasenlänge voraus zu sein‹, haben sie gemeint. Und was das
erste Signal betrifft, so wollten sie so tun, als wäre es nie
eingegangen. Deshalb weiß eigentlich niemand so genau, wie
lange es dauern wird herauszufinden, ob sich irgendwelche
galaktischen root domain- Serverangepingt haben oder ob es ein
Pulsar ist, der uns irgendeine Milliardenstelle hinter dem Komma von
Pi durchgeben möchte oder so.«
»Aber…«, Monica sieht von einem zum anderen,
»Sie haben keine Gewissheit darüber.«
»Ich glaube, es könnte eine Intelligenz
dahinterstecken«, sagt Manfred. Endlich hat er den Schalter am
Bett gefunden, mit dem er es zurück in einen Liegesessel
verwandeln kann. Doch gleich darauf drückt er auf einen falschen
Knopf: Sofort löst sich die synthetische Bettdecke in
zähflüssigen türkisfarbenen Schleim auf, der mit
schlürfenden, gurgelnden Geräuschen durch viele kleine
Öffnungen in der Kopfstütze des Bettes abfließt.
»Verdammtes Aerogel. Hm, wo war ich stehen geblieben?«
Manfred setzt sich auf.
»Bei dem Datenpaket
Weitere Kostenlose Bücher