Accra: Roman (German Edition)
hatte Angst, überfallen und vergewaltigt zu werden, sollte sie sich hinlegen und richtig einschlafen.
Bald nickte sie ein, schrak wieder auf und wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Am Ende der Straße parkte ein Wagen mit laufendem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern. Es war eines dieser richtig schönen Autos, die sie sah, wenn sie Wasser an die Fahrer auf der Liberation Avenue verkaufte: silbern und glänzend. Durch die halb geöffnete Fahrertür konnte sie die Lichter innen am Armaturenbrett sehen, die wie bunte Sterne blinkten.
Aber es war niemand in dem Auto. Akosua schaute sich auf dem Gehweg um. Unweit von ihr kniete ein Mann unter einer Ladenmarkise bei einem Straßenjungen und redete leise mit ihm. Akosua verstand nicht, was sie sagten, und es war zu dunkel, um sie richtig zu erkennen. Nach einigen Minuten standen sie beide auf und gingen zu dem Wagen. Der Junge war vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Der Mann machte ihm die Beifahrertür auf, ging um den Wagen herum zur Fahrerseite und stieg ein. Fast lautlos rollte das Auto davon.
Akosua überlegte. Hmm, das ist aus Ghana geworden. Hier wunderte einen gar nichts mehr. Der Fahrer musste eine Vorliebe für Jungen haben. Aber nicht für nette, saubere Burschen mit hübschen Sachen an. Er mochte grobe, schmutzige Jungen von der Straße.
39
Um halb sechs am nächsten Morgen – es war Sonntag – schreckte Dawson aus dem Schlaf, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf.
Etwas ist passiert.
Noch ein Albtraum. Armah, der vergebens versuchte, Geier zu vertreiben, die an Comforts blutüberströmter Leiche herumpickten. Dawsons Herz pochte, als wollte es aus dem Brustkorb springen. Was ist passiert? Er sah zum Telefon auf seinem Nachttisch. Es läutete.
Chikata.
»Morgen, Dawson. Tut mir leid, dass ...«
Dawson fiel ihm sofort ins Wort. »Wo ist die Leiche?«
»Novotel Lorry Park.«
Auf dem Weg nach draußen rief Dawson bei Dr. Biney an und fragte ihn, ob er zum Tatort kommen könnte.
»Ja«, sagte Biney. »Ich bin so schnell wie möglich dort.«
Der Lastwagenplatz hatte seinen Namen vom Novotel-Hotel ein paar Hundert Meter weiter auf der anderen Seite der Independence Avenue. Als Dawson um halb sieben eintraf, herrschte bereits reichlich Trubel. Passagiere standen Schlange für Fahrten in die unterschiedlichsten Winkel der Stadt und des Landes. Seitlich an den Tro-Tros hängend, von denen riesige Staubwolken aufstoben, riefen die Begleitfahrer nach letzten Passagieren, die sich noch in die übervollen Wagen quetschen sollten. Trägerjungen und Kayaye rannten in der Hoffnung auf einen Job zu jedem ankommenden Tro-Tro oder Bus.
Wo Leute befördert wurden, wurde natürlich auch gehandelt. Straßenverkäufer, die mit ihren Waren herumliefen oder an ihren Verkaufsständen standen, waren innerhalb und außerhalb des Platzes zu finden. Auf seinem Weg Richtung Independence Avenue wich Dawson zwei Karrenjungen aus.
Chikata erwartete ihn mit Bright und dessen Team vor der öffentlichen Toilette, die unter der Staubschicht braun und gelb gestrichen war. TOILET 20P war in ausgeblichenen Buchstaben auf die Seite gekrakelt. Es war eine Grubentoilette, das niederste, was es an öffentlichen Aborten gab, und angeblich längst von der Stadtverwaltung verboten.
»Wo ist die Leiche?« Dawson sah sich um.
»Da drinnen«, sagte Chikata mit angeekelter Miene. »Ein Junge.«
» Auf der Latrine?«
»Ja.«
»Ewurade«, sagte Dawson.
»Bright ist reingegangen«, sagte Chikata, »konnte es aber nicht lange aushalten. Es stinkt echt übel.«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Am frühen Morgen ist jemand rein, um sein Geschäft zu erledigen, und in der letzten Kabine sah er den Toten«, berichtete Chikata. »Ist gleich brüllend wieder raus.«
»Was ist mit dem Toilettenwärter?«, fragte Dawson.
»Der ist weg. Wir haben gehört, dass er reingegangen ist, nachgesehen hat und dann wortlos verschwand.«
Dawson schüttelte ungläubig den Kopf. »Der Mann, der sich um das Ding kümmern soll, haut einfach ab. Gott!«
Sie hatten mal wieder Publikum – ein paar Leute, die darauf warteten, die Toilette benutzen zu können, und zu ihrem Verdruss abgewiesen wurden, und andere, die gehört hatten, dass auf der Latrine ein Toter lag. Die Übrigen hatten schlicht nichts Besseres zu tun, als hier herumzulungern. Aber die meisten Passanten waren beschäftigt oder auf dem Weg irgendwohin.
»Wer hat dich verständigt?«, fragte Dawson Chikata.
»Jemand rief
Weitere Kostenlose Bücher