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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kwei Quartey
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anonym bei der Kinbu Police Station an, dass ein Toter auf der Latrine ist. Ein Sergeant nahm den Anruf entgegen, und ich schätze, er hatte keine Lust, sich das anzugucken, denn er schickte einen der Constables, um sich hier umzusehen. Der Constable kam her, sah die Leiche und rief seinen Sergeant an, der es dem Inspector seines Reviers erzählte, der wiederum dem Sergeant sagte, er soll sich darum kümmern. Der Sergeant sagte seinem Constable, er soll einen Bericht schreiben und die Leiche zur Gerichtsmedizin bringen lassen. Daraufhin wusste der Constable nicht recht, was er tun sollte, und rief beim CID an. Und die klingelten mich aus dem Bett.«
    »Wo ist der Constable?«
    »Ich habe ihn befragt und nach Hause geschickt. Was er gesagt hat, war so weit ziemlich klar, aber falls du noch mit ihm reden willst, ich habe seine Handynummer.«
    »Was ist mit dem Inspector und dem Sergeant? Hast du die Namen? Wir müssen sie beide melden.«
    »Ja, die Namen habe ich. Das mit dem Melden möchte ich lieber dir überlassen, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Natürlich. Das mache ich schon.« Dawson wandte sich zu Bright. »Haben Sie Handschuhe für mich, Sir? Ich gehe rein.«
    Bright reichte ihm ein Paar. »Maske?«
    »Nein, danke. Ich glaube nicht, dass die viel helfen wird.«
    Brights Gesichtsausdruck signalisierte etwas wie Viel Glück!
    Dawson ging hinein und knipste seine Taschenlampe an. Drinnen war es finster wie in einem Kerker. Die Wände der sechs offenen Kabinen mit einer Grundfläche von je gut einem Quadratmeter waren so schmutzig und verdreckt, dass Dawson nicht wagte, sie anzufassen. Der Gestank war überwältigend und traf ihn wie ein Schlag mit dem Knüppel. Es war, als legte er sich auf Haut und Schleimhäute, sodass sich die Luftröhre automatisch zu verschließen schien.
    Dawson biss die Zähne zusammen. Sanitäranlagen und saubere Toiletten sind ein Grundrecht für alle Menschen, klar! Er folgte dem Lichtstrahl seiner Taschenlampe. Ein, zwei, drei, vier, fünf Kabinen. Nummer sechs. Die Leiche saß aufrecht an der Rückwand, die Beine gespreizt, sodass sie das Loch im Boden einrahmten. Das Opfer war ein Junge, barfuß. Er hatte ein orangefarbenes T-Shirt und eine Jeans an, wie Dawson sie zwei Wochen zuvor an Ofosu gesehen hatte.
    Mit klopfendem Herzen leuchtete er auf das Gesicht des Opfers, dasselbe schöne, herzförmige Gesicht mit den klar konturierten Wangenknochen. Die Mandelaugen standen offen und schienen Dawson anzusehen. Auch der Mund war offen, aber die Zunge herausgeschnitten.
    Ofosu.
    Dawson wandte den Kopf zur Seite, als er einen seltsamen Laut hörte: einen erstickten Schrei, ein Husten und ein heftiges Würgen. Mit Verzögerung wurde ihm bewusst, dass diese Geräusche von ihm kamen.
    Er war kurz davor, sich zu übergeben.
    Nein, nicht kotzen. Nicht!
    Es ging vorbei. Dawson beugte sich ein wenig vor, die Hände auf die Knie gestützt. Ihm war schwindlig. Zuerst dachte er, er würde hyperventilieren, aber tatsächlich weinte er.
    »Dawson?« Bright rief vom Latrineneingang nach ihm und leuchtete mit seiner Taschenlampe. »Alles okay?«
    Hastig richtete er sich auf. »Ja, bestens, Sir. Danke.«
    »Dr. Biney ist gerade eingetroffen. Er ist gleich bei Ihnen.«
    Minuten später betrat Biney die Latrine, maskiert, mit Handschuhen und seiner schwarzen Forensikertasche in der einen und einer Taschenlampe in der anderen Hand.
    »Ich bin so schnell gefahren, wie ich konnte, Inspector«, sagte er, als er bei Dawson war.
    »Danke, dass Sie gekommen sind, Doctor. Ich bin froh, Sie zu sehen.«
    »Was haben wir?«
    Dawson leuchtete auf den Jungen.
    »Mein Gott«, hauchte Biney. »Gütiger Himmel.«
    »Ich kenne ihn. Sein Name ist Ofosu. Er ist ein Straßenjunge, mit dem ich vor zwei Wochen gesprochen habe.«
    »Und weil er mit Ihnen geredet hat, wurde ihm die Zunge herausgeschnitten? Geht es darum?«
    Dawson wusste keine Antwort auf Bineys Frage.
    Biney trat näher zu Ofosu und berührte dessen Kopf auf seine einzigartig vertraute Art. Sanft hob er die Lider und leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Mund.
    »Die Zunge wurde angehoben und rausgeschnitten. Ich glaube nicht, dass ich schon einmal etwas derart Kaltblütiges gesehen habe.«
    »Aber es ist kaum Blut aus seinem Mund gelaufen«, bemerkte Dawson.
    »Ja, gut beobachtet. Wahrscheinlich wurde die Zunge post mortem entfernt.«
    Biney versuchte, einen von Ofosus Armen zu heben, der sich aber nicht bewegen ließ.
    »Immer noch sehr steif«, sagte er.

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