Ach du lieber Schwesternschreck!
Wie sollen wir die Sache bloß lösen?
»Ach du lieber Schwesternschreck« - das ist unser Ausruf seit unserer ersten großen gemeinsamen Erfindung, der Alarmanlage Schwesternschreck. Flo und ich sind nämlich eigentlich Erfinder. Zurzeit sind wir dabei, wieder etwas zu erfinden... Da ruft Mama von unten.
»Ich bin hier«, ruf ich Mama zu.
»Schon wieder Telefon«, ruft Mama. »Flo ist dran. Zum zweiten Mal. Ruft der jetzt alle fünf Minuten an?«
»Ach du lieber Schwesternschreck«, rufe ich und rase die Treppe hinunter zum Telefon.
»Oje.« Ein ganzer Schwall von Flo-Rede stürzt in mein Ohr. Und meine Mutter stellt sich fast neben mich, sodass ich Flo nicht richtig beraten kann. Das Einzige, was ich ihm sage, ist: »Komm zu mir, Flo. Wir werden alles in meinem Zimmer besprechen.«
Da steht nämlich keine nervige Mutter daneben, da schreit kein Pampersbaby herum -wie Kitty, die gerade laut heulend hereinkommt. Sie stürzt direkt in meine Arme. Meine kleine Schwester ist hingefallen. Das Knie tut weh.
Ich blase. »Heile, heile Segen...«Es scheint tatsächlich zu helfen. Sie ist jetzt so lieb und schnuckelig.
»Schon gut«, murmelt sie, brummt noch einmal wohlig und springt von meinem Arm hinunter.
Da fällt mir Flo wieder ein.
»Ach du lieber Schwesternschreck«, murmel ich, als ich in mein Zimmer gehe. Flo wird gleich kommen. »Schwesternschreck« und »Liebeskummer«, diese beiden Wörter durchkreuzen plötzlich mein Hirn.
Schwesternschreck und Liebeskummer, ja, ein neues Kapitel der Jo-und-Flo-Freundschaft scheint anzufangen. Unsere Erfindungen müssen für eine Weile zurücktreten. Denn: Flo hat sich verliebt. Und wie! Jetzt muss ich einen kühlen Kopf bewahren und Flo fachmännisch beraten.
Es klingelt. Da ist er auch schon.
»Die erste Frage, die jetzt geklärt werden muss, ist: Was ist Verknalltsein?«, sage ich völlig cool.
»Muss das sein?«, stöhnt Flo. »Ich wollte eigentlich mit dir den ersten Brief an sie schreiben.«
Aber ich habe schon den Bleistift in der Hand und mache zwei Kästchen. »Ja, was ist Verknalltsein?«, frage ich Flo noch einmal.
»Man ist völlig weg«, sagt er. Und kratzt sich am Kopf. »Ich hab jede Nacht Wahnsinnsträume, nur von ihr.« Flo lächelt selig. »Ich will sie anrufen, wähle die Nummer, lege aber wieder auf.« Flo fährt sich mit den Händen durch die Haare. »Schmetterlinge im Bauch, Schweißausbrüche und Herzrasen.« Flo seufzt. Flos Papa ist Arzt, da hört er solche Aufzählungen jeden Tag.
»Halt, nicht so schnell«, sage ich. »So schnell kann ja der schnellste Mensch der Welt nicht schreiben.«
Aber Flo redet einfach weiter. »Ich werde tomatenrot, jedes Mal, wenn ich sie sehe.« Flo wird knallrot.
»Und wer ist >sie«, frage ich Flo.
»Musst du raten«, sagt Flo. »Also: Sie hat einen Kopf.«
Klar, denke ich, hat es schon mal ein Mädchen ohne Kopf gegeben?
Flo ist völlig weggetreten. Vor lauter Verliebtsein. »Wenn sie den Mund aufmacht, kommen Worte heraus.«
Ich schaue Flo entgeistert an. Der ist doch völlig abgedreht.
Da ruft meine Ma. Sie will mit mir Turnschuhe kaufen gehen. Ist so abgemacht. Ich muss meinen Freund Flo alleine lassen. Leider.
Er flüstert mir noch einiges sehr Wichtiges zu. Das dauert. Das werde ich nachher alles aufschreiben.
Mama ruft wieder. Aber Flo muss sowieso nach Hause. Wir verabreden uns für den nächsten Tag zur weiteren Liebesberatung.
Ich bin zurück. Ich habe mir gerade die hässlichsten Turnschuhe der ganzen Stadt gekauft. Und das alles Flo zuliebe. Weil ich gleich in Ruhe nachdenken muss. Und damit ich noch in Ruhe Tagebuch schreiben kann, denn mein liebes Tagebuch ernenne ich hiermit feierlich zu meinem Berater! Zu meinem Liebesberater. Ihm kann ich das alles anvertrauen. Auch ein Bild meiner hässlichen Turnschuhe. Ich werde ab jetzt im Sport immer nach oben gucken, denn wenn ich die Schuhe sehe, wird’s mir garantiert schlecht. Dann ist Herr Bock, unser Sportlehrer, zufrieden, denn der schreit immer: »Kopf hoch« - bei fast allem, was wir machen.
Ich sitze gerade an meinem Tagebuch, als meine Mama hereinkommt und mir ein Päckchen hinlegt.
»Für dich«, sagt sie.
»Warum?«
»Einfach so.«
Das macht Mama häufig. Einfach so. Ich reiße das Papier auf und springe vor Freude in die Luft: ein neues Tagebuch! Mein altes ist nämlich total voll, ich hab sogar schon zwanzig neue Blätter eingeklebt.
Ich falle Mama um den Hals. Unten schreit Kitty, meine kleine Schwester, das
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