Ach du lieber Schwesternschreck!
Pampersbaby, auch Fruchtzwerg genannt. Mama geht zu Kitty.
Ich öffne mein Tagebuch und schreibe als Erstes hinein, was ich alles will. So eine Liste wollte ich mir schon immer machen. Und in ein nigelnagelneues Tagebuch passt sie natürlich supergut.
1. Flo ist völlig verknallt. Er hat aber den Kontakt zu »ihr« noch nicht aufgenommen. Dabei will ich ihm helfen.
2. Ich will mit Flo durch dick und dünn gehen. Flo ist mein Freund.
3. Ich will lieb zum Fruchtzwerg sein.
4. Ich will neue Schilder für meine Tür machen.
5. Ich will mir einen Tagesfresser mit dreißig Blättern für die restlichen dreißig Tage bis zu den Ferien machen. Bei einem Tagesfresser reiß ich jeden Tag einen Zettel ab, bis die Tage alle weggefressen sind. (Man kann auch Stundenfresser machen für langweilige Schultage.)
6. Ich will mein Zimmer aufräumen. Ich will herauskriegen, was Ordnung eigentlich ist und wer sie erfunden hat.
7. Ich will natürlich wieder etwas erfinden. Etwas noch Tolleres als die Alarmanlage Schwesternschreck. Vielleicht gelingt es, vielleicht nicht. Wer weiß.
Was uns vorschwebt, ist eine Gedankenübertragungsmaschine für Klassenarbeiten, Prüfungen, eben all die elenden Schülerzwangssituationen, die in der Schule Vorkommen. Am besten wäre natürlich eine Gedankenübertragungsmaschine als Gedankenstrahl, aber das würde dauern, bis wir die erfunden haben, und wir brauchen die Gedankenübertragungsmaschine ja wirklich sofort. Oder vielleicht Gedankenübertragung über einen Kleincomputer in der Armbanduhr.
Doch das alles muss ich jetzt verschieben, denn bei Flo haben sich andere Probleme eingeschlichen. Einfach so und über Nacht. Und jetzt will ich erst mal Flos Probleme weiter aufschreiben.
In mein nigelnagelneues gestreiftes Tagebuch! Schwarz und weiß ist es von außen, wie ein Zebra. Die schwarzen Streifen sind für die schlimmen Tage, die weißen für die guten. Und gestreift ist es, weil das meiste im Leben ja doch gestreift ist, eine Mischung aus schlimm und gut. Es gibt schlimm-gute Tage und gut-schlimme Tage. Und heute, an einem gut-schlimmen, gestreiften Tag schreib ich in mein liebes gestreiftes Tagebuch und beginne mit Flos Rätsel, das er mir heute im Hinausgehen noch zugeflüstert hat.
Es gibt ein Wesen (mit dem Wesen hab ich natürlich nichts zu tun), das hat einen Kopf. Klar. Mit supersüßen blonden, schimmernden, glitzernden Ringellocken. Wenn es den Mund aufmacht, kommen Worte heraus: klug, gescheit, süß, zart, lieb! (Hilfe, ich schreibe ja schon völlig anders als sonst. Sogar ich. Der nur Flos Worte wiedergibt. Verknalltsein verändert die Worte im Kopf!)
Sie hat natürlich Beine. Klar. Arme, Hände und einen Bauch auch. Einfach alles. Und sie spielt Klavier. Flo will jetzt auch Klavier spielen. Und Aquarellfarben kaufen, weil sie damit malt. Und Sticker sammeln. Ach, Flo hat mir alles erzählt!
Wie sie heißt? Es ist der schönste Name der Welt, klingt wie Musik, hört sich an wie eine Blume, ist fast eine Farbe, ist fremd und spannend. »Viola«, das heißt Veilchen.
Jetzt würde Flo wütend werden. Aber mein Tagebuch wird Gott sei Dank nicht wütend. Denn der Name darf nicht weitergegeben werden, er ist noch völlig geheim. Und er muss es auch bleiben, denn sonst stürzen sich alle aus unserer Klasse auf sie und der arme Flo muss aus dem Abseits zuschauen, wie ein anderer sich ihr zuwendet und...
Ich will lieber nicht weiterschreiben. Aber eins muss ich doch noch festhalten: Flo überlegt, ob er auch Blätter sammeln soll wie Viola. Er meint jedenfalls, dass sie es tut. Sie presst sie. Schreibt dann ihre Namen hinten drauf und heftet sie in ihr Blätteralbum. So machen alle Blättersammler das.
Außerdem will Flo Gesangsunterricht nehmen, damit er im selben Chor singen kann wie Viola.
Und er will sogar reiten, wie Viola. Hoffentlich muss ich mit Flo dann nicht den ganzen Tag über Pferde reden. Denn ich hab ja versprochen, dass ich zu ihm halte durch dick und dünn. Jo und Flo, Freunde auf immer und ewig.
»Ich grüße alle Optimisten und den anderen wünsche ich gute Besserung«, das hat der Ansager im Radio gerade gesagt. Finde ich lustig. Ich glaube, der weiß Bescheid. Auch über Flo und mich. Der weiß wahrscheinlich sogar von Flos Liebeskummer. Aber ich muss erst mal erklären, was ein Optimist ist: Ein Optimist ist ein Mensch, für den die Welt gut ist und für den daher alles in der Welt zum Guten hin läuft. »Ein Optimist betrachtet die Welt mit
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