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Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition)

Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition)

Titel: Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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wurden.
    Einstweilen entdecke ich nur »normale« Spielcenter, in denen ich, wenn ich Lust dazu hätte, auf den Skisimulator steigen, Plastikkrokodilen mit einem Gummihammer auf den Kopf hauen, Fotoaufkleber mit Herzchenhintergrund machen lassen oder versuchen könnte, eine der Plüsch-Kittys mit dem Metallgreifarm aus ihrem gläsernen Massensarg zu befreien.
    Am Ende des Saals, in dem es klingt, als hätten alle Außerirdischen des Sonnensystems auf einmal beschlossen, hier ihre Raumschiffe zu landen, entdecke ich das Zeichen für WC. Zum Glück bin ich lange genug in dieser Stadt, dass mich der Klo-Thron mit der beheizten Brille und den freundlichen Plätschergeräuschen nicht mehr schreckt. Ganz anders meine erste Begegnung mit einer dieser Highest-Tech-Toiletten: Welcher der Knöpfe auf dem Bedienboard, das aussieht, als könnte man mit ihm eine Boeing fliegen, setzt die Wasserspülung in Gang? Was bedeutet das Piktogramm mit den beiden Halbkugeln und den Wellenlinien? Und was die Piktogramme mit den diversen Springbrunnenzeichen? Heute kann ich lässig sagen: Föhn; Bidet; Männereinstellung; Frauenstrahl. Bei meinem ersten Mal hätte ich vor Angst, den gesamten Raum unter Wasser zu setzen, das Klo beinahe ungespült verlassen. Als ich einem Deutschen davon erzählte, der schon lange in Tokio lebt, meinte der, so wäre das mit allen Sachen hier, die importiert wurden (bis vor nicht allzu langer Zeit gab es in Japan nur Stehklos) – Japan übernimmt die Dinge aus dem Westen und entwickelt sie mit einer Konsequenz weiter, deren Gnadenlosigkeit kein westlicher Tüftler mehr aufbringen würde. Japan sei das einzige Land, das der Kolonialisierung entgangen sei, indem es sich einfach selbst kolonialisiert habe.
    Wieder auf der Straße, ziehe ich mir an einem der sechs Millionen Getränkeautomaten, die es im Großraum Tokio geben soll, einen Eistee. Noch immer sehe ich keine Spur von einem Schlüpferautomaten.
    Ich komme an einem der »Ladies Clubs« vorbei, in den keine Männer gehen, deren vom Alltag erschöpfte Seele nach weiblichem Zuspruch dürstet. Sondern Frauen, deren Seele männlichen Trost sucht. Meistens kommen die Frauen hierher, die am früheren Abend ihr Geld damit verdienen, den ermüdeten männlichen Seelen Zuspruch zu geben. Die »Hosts«, deren Bilder in den Glaskästen hängen, sehen aus wie die Männerdarsteller bei »Takarazuka«. Vielleicht sind es gar keine Männer, die hier arbeiten, sondern Frauen, die so tun, als ob sie Männer wären?
    Endlich, im Eingang zu einem Sexshop – der auf den ersten Blick nur schwer als solcher zu erkennen ist, da in seinem Schaufenster ausschließlich Schuluniformen hängen – entdecke ich eine Reihe Automaten, die weder nach Zigaretten noch Eistee ausschauen. Aufgeregt schiebe ich einen Tausend-Yen-Schein in den Schlitz. Eine tennisballgroße, schwarze Plastikkugel rollt in das Ausgabefach. Es gelingt mir, sie zu öffnen. In der Tat: in meinen Händen halte ich einen himbeerfarbenen Schlüpfer, Größe XXS. Was allerdings den Thunfischgeruch angeht – Fehlanzeige. Ich versuche mein Glück am nächsten Automaten. Der Slip, der aus dem zweiten Plastikei schlüpft, ist weinrot, Größe XXXS. Aber auch dieser riecht so steril, dass man mit ihm guten Gewissens eine frische Fleischwunde abdecken könnte. Der dritte Slip ist hellgelb und erweist sich als weiterer Geruchsausfall.
    Ich gehe in den Laden hinein und schenke meine Schlüpfersammlung den beiden Mädchen, die aufgeregt plaudernd vor dem Regal mit den Hello-Kitty-Vibratoren stehen. Mein Freund, der Rettich, ist leider nirgends zu sehen.
    Ich werde meinen Kripofreund enttäuschen müssen. Die japanischen Thunfischschlüpfer entpuppen sich als ebensolche Mär wie diejenige, Japaner würden keinen Alkohol vertragen. Vor mir strebt eine Gruppe Büroangestellter auf ein Gebäude zu, in dessen Eingang ein Plastikkrankenschwesterchen mit übergroßer Spritze für welche Dienste auch immer wirbt. Die Männer gehen perfekt gerade, obwohl der Duft, den sie zurücklassen, auf mehr als ein Bier schließen lässt.
    An der U-Bahn-Treppe schleicht ein alter Mann in für japanische Verhältnisse extrem schmuddeligen Klamotten die letzten Stufen hinauf, streichelt das Geländer so liebevoll, als wäre es der Körper einer Frau, die er vor langer Zeit einmal begehrt hat. Er schaut sich um, geht ein paar Stufen zurück, geht wieder hinauf und streichelt das Geländer erneut. Ich bleibe stehen und kann es kaum fassen. Nach

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