Ach so!
essen Würstchen und trinken Bier.
Ich erzählte meinem Kollegen von den Wurzeln der
Mathematik und davon, dass Inder, wie keine andere Nation, das Spiel mit den Zahlen
lieben.
Um ihm meine Gedanken zu verdeutlichen, absolvierte ich
eine einfache Multiplikation und wählte dabei die »indische Methode«. Er war
entzückt, und kurze Zeit später wiederholte ich meine Rechnung vor laufender Kamera.
Ich hätte es besser nicht tun sollen, denn nach der Sendung gab es
eine Flut von Zuschauerbriefen und Mails. Jeder wollte mehr wissen über diese
vedische Rechenmethode, Schulkinder, Erwachsene, Lehrpersonal, Minister und sogar
Ordensschwestern schrieben. Eine simple indische Rechenart hatte die Menschen mehr
berührt als das Glitzern und der Glamour!
Mit dem Beispiel wollte ich demonstrieren, dass es in der
Mathematik nicht den »einen richtigen« Weg gibt, der uns Schülern so gerne
eingetrichtert wird. Mathematik ist ein Spiel, bei dem es unzählige Lösungswege
gibt.
Jede Zahl hat eine »Persönlichkeit«, und wer die
Eigenarten der Algebra beherrscht, beherrscht auch das Spiel der Rechenarten.
Begonnen hat es vor mehr als 5000 Jahren in Indien. Die
Veden zählen wohl zu den ältesten Aufzeichnungen menschlicher Erkenntnis überhaupt
und wurden über Jahrhunderte hinweg von einer Generation zur nächsten mündlich
überliefert. Sie umfassen Medizin, Astronomie, Architektur und zahlreiche andere
Wissensgebiete – und so auch Mathematik. Immerhin entspringt unser heutiges
Zahlensystem diesen Wurzeln; auch die Null stammt ursprünglich aus Indien (siehe
»Sonst noch Fragen?«, Kapitel 99: Woher kommt die Null?).
Erst beim Studium alter Sanskrittexte wurde das vergessene
System der vedischen Mathematik zwischen 1911 und 1918 von Sri Bharati Krsna
Tirthaji (1884–1960) wiederentdeckt. In den Schriften gab es jedoch keine
unmittelbaren Rechnungen, vielmehr enthielten sie Regeln und Rechenanweisungen, die
nur auf den zweiten Blick ihren Inhalt preisgaben. Bha rati Krsna studierte die
Texte mit großer Gewissenhaftigkeit und kam zu der Erkenntnis, dass das Gebäude der
vedischen Mathematik auf insgesamt 16 Sutras basierte. Hierbei handelt essich um verschlüsselte Anweisungstexte. Für sich genommen ergeben
die knappen Sätze kaum einen Sinn. Einige lauten:
»Eine mehr als derjenige davor«
»Alle von 9 und die letzte von der 10«
»Senkrecht und kreuzweise«
Kurz vor seinem Tod im Jahre 1960 verfasste Bharati Krsna
ein mathematisches Lehrbuch, in welchem er die einzelnen Methoden mit vielen
Beispielen erläuterte. Vor etwa 20 Jahren stieß ich beim Durchstöbern eines alten
Buchladens in Delhi auf ein Exemplar und verschlang es in den folgenden Tagen. Im
Buch zeigt eine Fotografie den Meister im Lotussitz, mit Ketten behangen auf einem
Leopardenfell!
Als Anregung möchte ich jedoch nicht darauf verzichten,
Ihnen zumindest ein Beispiel zu erläutern: Es handelt sich um das Sutra: »Senkrecht und kreuzweise«.
Stellen Sie sich vor, Sie multiplizieren die Zahlen 8 und
7.
Im vedischen System schreiben Sie zunächst beide Zahlen
untereinander:
Anschließend
komplettieren Sie bis zur 10 und schreiben die jeweilige Zahl rechts daneben: also 8
+ 2 = 10 und 7 + 3 = 10. Und jetzt greift das Sutra:
Das Ergebnis lautet 56:
5 ergibt sich durch die kreuzweise Subtraktion
(also 7 – 2 oder 8 – 3).
6 ergibt sich aus dem senkrechten Produkt (2 x 3).
Probieren Sie es mit den Zahlen 998 3 889:
In vedischer Schreibweise:
(Zur Erläuterung: 998 + 2 = 1000; 889 + 111 = 1000, dann
das kreuzweise Subtrahieren: 889 – 2 = 887,
und im nächsten Schritt das senkrechte Produkt: 2 3111 = 222. In der Tat ist 998 3 889 = 887222!)
Beim Multiplizieren von Zahlen über der Schwelle 100
greift ein anderer ebenfalls einfacher Weg:
102 x 107 = 10 914
Zunächst der erste Teil: Hierbei addiert man die letzte
Ziffer der zweiten Zahl zur ersten: 102 + ...7 = 109.
Dann folgt die Multiplikation der beiden Endziffern:
2 x 7 = 14
– und somit hat man sofort das Resultat: 10 914.
Ein anderes Sutra lautet: » Einer mehr als derjenige davor« , und ist der
Schlüssel zum Quadrat von Zahlen, die mit 5 enden:
75 2 = 5625
Das Ergebnis besteht aus den Teilen 56 und 25.
Zunächst gilt: Alle Quadrate von Zahlen, die mit der Ziffer 5 enden, haben an den letzten beiden
Stellen die Zahl 25! Der letzte Teil ist also immer 25.
Der erste Teil des Ergebnisses 56
Weitere Kostenlose Bücher