Ach so!
kaufte und verkaufte, nahm in Erwartung schneller Gewinne Kredite auf. Die meisten Transaktionen betrafen Tulpenzwiebeln, die nie geliefert werden konnten, da sie nicht existierten. Sie wurden mit Gutschriftsanzeigen bezahlt, die nie eingelöst werden konnten, da es das Geld gar nicht gab.
Am 3. Februar 1637 platzte dann die Blase der Tulpenmanie 39 : Tausende verloren ihre Häuser und ihr Vermögen. Ein Regierungsausschuss befasste sich mit der Krise, neue Gesetze regelten zum Beispiel die Annullierung der Tulpenkontrakte.
Was blieb, ist die Zwiebel. 80 Prozent der Welt-Tulpenproduktion stammen aus den Niederlanden. Jedes Frühjahr blühen rund zwei Milliarden Tulpen auf den fachen Feldern zwischen Alkmaar und Leiden.
Eigentlich hätten wir von den Blumen lernen können ...
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Wieso sollte man keiner Statistik trauen?
77 Unsere Welt scheint total berechenbar. Nicht nur
Manager planen ihre zukünftigen Entscheidungen mit Hilfe von Excel-Tabellen und
Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Computer, Maschinen und Automaten begleiten uns
durch unseren Alltag. Die Beipackzettel von Arzneien klären uns über die
Wahrscheinlichkeit bestimmter Nebenwirkungen auf, Kraftwerksbetreiber beruhigen die
Anwohner mit Risikoberechnungen für mögliche Zwischenfälle, und im Radio spricht der
Moderator von einer Regenwahrscheinlichkeit von 20 Prozent.
Zahlen und Wahrscheinlichkeiten zieren Bankkredite,
politische Umfragewerte und tauchen in der Lotteriewerbung auf: »Die Gewinnchance
beträgt 1 zu 60 Millionen!« Mit solch schäbigen Aussichten würde ich jedenfalls kein
Los kaufen, doch offensichtlich wittern viele dennoch ihre »Chance«. Liegt das
vielleicht daran, dass man die Angaben schlichtweg nicht richtig einordnen kann? Bei
so vielen Zahlen und Statistiken sollten wir doch eigentlich Meister des Fachs sein,
oder? Erlauben Sie mir eine einfache Frage:
Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 €.
Der Schläger ist dabei 1 € teurer als der Ball. Wie viel kostet der Ball?
Unsere Intuition liefert uns schnell eine Antwort: Der
Ball kostet 0,10 €. Das Ergebnis fühlt sich sofort gut an und scheintlogisch, doch beim Nachrechnen bemerken wir unseren Fehler. Es
ergeben sich zwei Gleichungen:
a) Ball + Schläger = 1,10 €
b) Ball + 1 € = Schläger
Setze Gleichung b) in a) ein:
Ball + (Ball + 1 €) = 1,10 €
2 x Ball = 0,10
€
ein Ball kostet 0,05 €!
Intuition und Instinkt verstehen nichts von Mathematik und
Zahlen. Immer wieder stolpern wir über unser falsches Gefühl. Schon einfache
statistische Aussagen können große Irritationen hervorrufen:
Als die britische Gesundheitsbehörde 1995 verkündete, dass
die dritte Generation der Anti-Baby-Pillen das Risiko von Blutgerinnseln um 100
Prozent steigere, kam es zu einer tragischen Überreaktion der Bevölkerung: Im
Folgejahr verbuchte man zusätzliche 13000 Abtreibungen! Betroffen waren davon auch
viele Teenager, die aus Angst vor Blutgerinnseln auf die Pille verzichtet hatten.
Dabei entsprach das Risiko einer zusätzlichen
Gefahrensteigerung von 1 in 7000 und war somit eher vernachlässigbar. Blutgerinnsel
sind eine von vielen eher unwahrscheinlichen Nebenwirkungen, und wenn sich ein
vernachlässigbares Risiko verdoppelt, wird es dadurch nicht gleich bedrohlich. Die
Verdopplung eines Bruchteils bleibt ein Bruchteil, aber die verkündeten 100 Prozent
Risikosteigerung waren unmittelbar mit einer dramatischen Gesamtgefahr gleichgesetzt
worden. Die Medien hatten mal wieder versagt, und statt die realeGefahr einzuordnen, betrieben sie, wie so oft, Panikmache. Übertriebene
Risikowahrnehmung führt zu einer falschen Einschätzung von Lebenssituationen, die
dann sonderbare Blüten treibt. Das britische Beispiel ist kein Einzelfall. Wir
übernehmen absurde Verhaltensweisen und verkennen mitunter diejenigen Faktoren, die
tatsächlich riskant sind. Oft trübt das diffuse Angstgefühl unsere Lebensqualität
auf nachhaltige Weise.
Der Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, setzt sich seit Jahren für einen
besonnenen Umgang mit der Risikowahrnehmung ein. 40 Der engagierte Wissenschaftler fordert, völlig zu Recht, dass wir
bereits in jungen Jahren die Mathematik der Ungewissheit erlernen sollten. Das Fach
gehört in den Schulunterricht, denn zu viele Einschätzungen und Entscheidungen
unserer modernen Industriegesellschaft werden durch
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