Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ach so!

Ach so!

Titel: Ach so! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ranga Yogeshwar
Vom Netzwerk:
kaufte und verkaufte, nahm in Erwartung schneller Gewinne Kredite auf. Die meisten Transaktionen betrafen Tulpenzwiebeln, die nie geliefert werden konnten, da sie nicht existierten. Sie wurden mit Gutschriftsanzeigen bezahlt, die nie eingelöst werden konnten, da es das Geld gar nicht gab.
    Am 3. Februar 1637 platzte dann die Blase der Tulpenmanie 39 : Tausende verloren ihre Häuser und ihr Vermögen. Ein Regierungsausschuss befasste sich mit der Krise, neue Gesetze regelten zum Beispiel die Annullierung der Tulpenkontrakte.
    Was blieb, ist die Zwiebel. 80 Prozent der Welt-Tulpenproduktion stammen aus den Niederlanden. Jedes Frühjahr blühen rund zwei Milliarden Tulpen auf den fachen Feldern zwischen Alkmaar und Leiden.
    Eigentlich hätten wir von den Blumen lernen können ...

[Menü]
    Wieso sollte man keiner Statistik trauen?
    77 Unsere Welt scheint total berechenbar. Nicht nur
     Manager planen ihre zukünftigen Entscheidungen mit Hilfe von Excel-Tabellen und
     Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Computer, Maschinen und Automaten begleiten uns
     durch unseren Alltag. Die Beipackzettel von Arzneien klären uns über die
     Wahrscheinlichkeit bestimmter Nebenwirkungen auf, Kraftwerksbetreiber beruhigen die
     Anwohner mit Risikoberechnungen für mögliche Zwischenfälle, und im Radio spricht der
     Moderator von einer Regenwahrscheinlichkeit von 20 Prozent.
    Zahlen und Wahrscheinlichkeiten zieren Bankkredite,
     politische Umfragewerte und tauchen in der Lotteriewerbung auf: »Die Gewinnchance
     beträgt 1 zu 60 Millionen!« Mit solch schäbigen Aussichten würde ich jedenfalls kein
     Los kaufen, doch offensichtlich wittern viele dennoch ihre »Chance«. Liegt das
     vielleicht daran, dass man die Angaben schlichtweg nicht richtig einordnen kann? Bei
     so vielen Zahlen und Statistiken sollten wir doch eigentlich Meister des Fachs sein,
     oder? Erlauben Sie mir eine einfache Frage:
    Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 €.
     Der Schläger ist dabei 1 € teurer als der Ball. Wie viel kostet der Ball?
    Unsere Intuition liefert uns schnell eine Antwort: Der
     Ball kostet 0,10 €. Das Ergebnis fühlt sich sofort gut an und scheintlogisch, doch beim Nachrechnen bemerken wir unseren Fehler. Es
     ergeben sich zwei Gleichungen:
    a) Ball + Schläger = 1,10 €
b) Ball + 1 € = Schläger
    Setze Gleichung b) in a) ein:
    Ball + (Ball + 1 €) = 1,10 €
2 x Ball = 0,10
     €
    ein Ball kostet 0,05 €!
    Intuition und Instinkt verstehen nichts von Mathematik und
     Zahlen. Immer wieder stolpern wir über unser falsches Gefühl. Schon einfache
     statistische Aussagen können große Irritationen hervorrufen:
    Als die britische Gesundheitsbehörde 1995 verkündete, dass
     die dritte Generation der Anti-Baby-Pillen das Risiko von Blutgerinnseln um 100
     Prozent steigere, kam es zu einer tragischen Überreaktion der Bevölkerung: Im
     Folgejahr verbuchte man zusätzliche 13000 Abtreibungen! Betroffen waren davon auch
     viele Teenager, die aus Angst vor Blutgerinnseln auf die Pille verzichtet hatten.
    Dabei entsprach das Risiko einer zusätzlichen
     Gefahrensteigerung von 1 in 7000 und war somit eher vernachlässigbar. Blutgerinnsel
     sind eine von vielen eher unwahrscheinlichen Nebenwirkungen, und wenn sich ein
     vernachlässigbares Risiko verdoppelt, wird es dadurch nicht gleich bedrohlich. Die
     Verdopplung eines Bruchteils bleibt ein Bruchteil, aber die verkündeten 100 Prozent
     Risikosteigerung waren unmittelbar mit einer dramatischen Gesamtgefahr gleichgesetzt
     worden. Die Medien hatten mal wieder versagt, und statt die realeGefahr einzuordnen, betrieben sie, wie so oft, Panikmache. Übertriebene
     Risikowahrnehmung führt zu einer falschen Einschätzung von Lebenssituationen, die
     dann sonderbare Blüten treibt. Das britische Beispiel ist kein Einzelfall. Wir
     übernehmen absurde Verhaltensweisen und verkennen mitunter diejenigen Faktoren, die
     tatsächlich riskant sind. Oft trübt das diffuse Angstgefühl unsere Lebensqualität
     auf nachhaltige Weise.
    Der Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am
     Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, setzt sich seit Jahren für einen
     besonnenen Umgang mit der Risikowahrnehmung ein. 40 Der engagierte Wissenschaftler fordert, völlig zu Recht, dass wir
     bereits in jungen Jahren die Mathematik der Ungewissheit erlernen sollten. Das Fach
     gehört in den Schulunterricht, denn zu viele Einschätzungen und Entscheidungen
     unserer modernen Industriegesellschaft werden durch

Weitere Kostenlose Bücher