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Ach so!

Ach so!

Titel: Ach so! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ranga Yogeshwar
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damals 37-jährigen Physikprofessor gelang
     genau zehn Tage (!) nach dem historischen Aufstieg der Mongolfiere ein spektakulärer
     Flug über Paris. Sein Ballon war mit Wasserstoff gefüllt. Das Gas wurde in großen
     Fässern durch die Einwirkung verdünnter Schwefelsäure auf Eisenspäne gewonnen. Da
     Wasserstoff 14-mal leichter als Luft ist, kam Charles mit einem wesentlich kleineren
     Ballon aus.

    Im Gegensatz zu seinen Heißluftkonkurrenten absolvierte der
     begeisterte Wissenschaftler den ersten Alleinflug. Am Abend des 1. Dezember 1783
     stieg er in die Abenddämmerung hinein und erreichte mit seinem Gefährt eine Höhe von
     2750 Metern. »Nichts kann dem Vergnügen gleichen«, notierte er später, »das in dem
     Augenblick, da ich die Erde verließ, sich meines ganzen Daseins bemächtigte; es war
     nicht bloß Vergnügen, es war Glückseligkeit.« Charles hatte die Ausdehnung von Gasen
     bei ihrer Erwärmung studiert und sogar ein entsprechendes physikalisches Gesetz
     formuliert. Doch er hatte diese Erkenntnisse nicht »offiziell« publiziert, und so
     gilt Joseph Louis Gay-Lussac als Entdecker des Gasgesetzes. Ist es nicht unfair? Die
     wunderbaren Experimente des Professors Charles gerieten in Vergessenheit. In den
     meisten Geschichtsbüchern ist nur von heißer Luft die Rede!

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    Was ist der Preis für unsere Ungeduld?
Angemerkt: Ein Blick über den Tellerrand

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    Was ist der Preis für unsere Ungeduld?
    86 Können Sie sich noch an Schallplatten erinnern? Wenn man sie auflegen wollte, glich es einem Ritual: das vorsichtige Auspacken, die sanfte Reinigung, das präzise Aufsetzen der Nadel. Während die Platte lief, durfte man nicht heftig auftreten, da die Nadel sonst aus der Rille sprang. Wenn man einen Titel auflegte, hörte man das Stück auch zu Ende, bevor die kostbare Scheibe anschließend wieder in die Hülle geschoben wurde. Schallplatten waren anfällig, und schon kleinste Kratzer führten zu einem unangenehmen Knacken. Sie waren zwar unpraktisch, doch die außergewöhnliche Fürsorge führte zu einer besonderen Beziehung zur eigenen Sammlung.
    Meine Kinder kennen keine Schallplatten mehr. Sie gehören zur digitalen MP3-Generation. Vieles ist scheinbar einfacher geworden: Musik gibt es auf Knopfdruck, und wenn einem der laufende Titel nicht passt, springt man einfach einen weiter. Schneller Wechsel hat das Verweilen ersetzt, bereits beim kleinsten Indiz möglicher Langeweile wird umgeschaltet. Titel werden nach wenigen Takten abgewürgt. Junge Hörer und Fernsehzuschauer sind Meister der Fernbedienung. Seit Jahren sinkt die durchschnittliche Verweildauer der Zuschauer pro Fernsehsendung und lässt deren Macher verzweifeln. Die Medien stellen sich inzwischen darauf ein: Kurzweiligkeit ist angesagt, die klassischen Gesetzmäßigkeiten werden überholt, es gibt keinen »Anfang« und kein »Ende« mehr. DerQuereinsteiger ist ungeduldig; wenn man ihm nicht sofort einen »Kick« serviert, ist er im nächsten Moment schon auf einem anderen Kanal.
    Es scheint, als würde sich die Tradition des Wartens auflösen: Alte Liebesbriefe benötigten noch lange Reisezeiten, Urlaubsfilme wurden zum Entwickeln ins Geschäft gebracht, und es vergingen manchmal Wochen, bis man die Abzüge endlich zu Gesicht bekam. Das Warten war eine besondere Zwischenphase, eine sehnsüchtige Erwartung an die Zukunft, eine Verlängerung der Vergangenheit. Heute hingegen wird im Hier und Jetzt geknipst, gemailt und per SMS geflirtet. Wer Hunger hat, den beglückt die Mikrowelle mit einem Instantmenü. Warten gilt als verlorene Zeit, und so werden wir auf Autobahnen von rasenden LKWs überholt, die ihre Waren an eine ungeduldige Kundschaft ausliefern. Die Geschäfte kennen keinen Ladenschluss mehr. Sofort muss es sein, sonst kauft man woanders! Selbst Babys werden planbar: Immer häufiger werden sie per Kaiserschnitt entbunden. 43 Das Wunder des Lebens wird terminiert.
    Der Preis für unsere Ungeduld ist hoch: Das Ereignis an sich wird reduziert, sowohl zeitlich als auch in der Intensität des Erlebens. Mit den sofort verfügbaren Urlaubsfotos ist der Urlaub schnell abgehakt, das Tiefkühlmenü betrügt uns um den Genuss des frischen Gemüses und der fein abgestimmten Gewürze. Instant ist die Abkürzung durch den Garten der Sinnlichkeit. Selbstgemachte Marmelade lebt vom Pfücken, vom Auswaschen und Säubern der Früchte, vom beschwerlichen Einkochen und Einfüllen. Wer all diese Stufen aktiv erlebt, hat später eine

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