Ach so!
Zusammenspiel der
verschiedenen Hirnregionen erst ab dem vierten oder fünften Lebensjahr ein. Daher
erinnert man sich als Erwachsener kaum an Ereignisse aus der allerfrühesten
Kindheit.
Doch im Gegensatz zur Festplatte eines Computers speichert
unser Gehirn das Erlebte nicht einfach ab, sondern verarbeitet auch im Nachhinein
das Gespeicherte. Mit der Zeit verblassen manche Einträge, so dass wir nach Jahren
zum Beispiel den Namen unseres Klassenkameraden oder den Ausgang eines wichtigen
Fußballspiels vergessen haben. Je öfter wir bestimmte Situationen abrufen, desto
fester graben sie sich in unser Gedächtnis ein.
Manchmal können auch externe Faktoren zu einer Stütze
werden: So können Sie sich vermutlich ganz genau an den 11. September 2001 erinnern,
als die Welt erschrocken denAnschlag auf das World Trade Center
verfolgte. Wo waren Sie an diesem Tag? Wer war bei Ihnen? Was haben Sie an diesem
Nachmittag unternommen?
Alle, denen ich diese Frage stellte, konnten sich selbst
an kleine Details erinnern und erzählten mir zum Beispiel, dass sie ihre Frau
anriefen und den Abend mit Freunden verbrachten. Was sie jedoch am Tag zuvor erlebt
hatten, schien wie ausgelöscht, denn keiner der Befragten konnte mir darauf eine
Antwort geben. Dieses besondere Weltereignis sorgt für einen bleibenden und
intensiven Eintrag in unserem Gedächtnis.
Nach demselben Muster erinnern sich die meisten Menschen
an die erste Mondlandung, den Fall der Mauer oder an die eigene Hochzeit, denn diese
Ereignisse waren geprägt von starken Emotionen. Solche Gefühle können auch durch
unscheinbare Details geweckt werden: Der typische Geruch im Treppenhaus der Eltern,
der Hall in den Gängen der alten Schule oder der Desinfektionsduft im Krankenhaus
können zum unbewussten Auslöser einer lebendigen Erinnerung werden. Das in Tee
getauchte Gebäck zauberte beim französischen Autor Marcel Proust Reminiszenzen an
seine Kindheit hervor, die er in seinem Lebenswerk »Auf der Suche nach der
verlorenen Zeit« beschrieb.
Eine besondere Stütze auf der Reise in die eigene
Vergangenheit sind Familienalben mit alten Fotos. Doch wie wahr sind die alten
Geschichten, die uns dann einfallen? Oft schönen wir unbewusst das Vergangene, und
mit der Zeit werden die vergangenen Erlebnisse durch immer mehr Phantasie ergänzt.
»Früher war alles besser ...« – war es vermutlich nicht, doch in unseren
Erinnerungen filtert das Gehirn Unangenehmes und Profanes schon einmal gerne heraus.
Wie weit diese Selbsttäuschung geht, haben
neuseeländische Wissenschaftler in einem bemerkenswerten Versuch dargelegt: 42 Sie zeigten Probanden Fotos aus deren
Kindheit, welchesie von den jeweiligen Familien zur Verfügung
gestellt bekommen hatten. Anhand der Bilder sollten sich die Versuchspersonen an die
vergangenen Ereignisse erinnern. Eine Aufnahme wurde jedoch beim Experiment ohne
Wissen der Beteiligten manipuliert. Auf einem Bild wurde die Testperson in den Korb
eines Heißluftballons montiert. Zuvor hatten die Wissenschaftler sichergestellt,
dass keiner der Kandidaten in seiner Kindheit eine solche Ballonfahrt unternommen
hatte. Überraschenderweise erinnerte sich die Hälfte der Versuchspersonen an eine
solche Fahrt! Einige hatten sogar lebendige Vorstellungen von diesem »falschen«
Ereignis! Die manipulierten Fotos erzeugten also falsche Erinnerungen. Für die
Wissenschaftler ist dieser Test eine wertvolle Hilfe bei der Erforschung der
Funktion unseres Gedächtnisses: Offensichtlich ergänzen wir laufend unbewusst unser
inneres Archiv, und nach einigen Jahren sind aus den alten Geschichten neue
geworden. »Früher war alles besser ...«
[Menü]
Welche Rolle spielt der Zufall in der Wissenschaft?
84 Zufall ist ein bestimmendes Element des Fortschritts. Es gibt unzählige Beispiele von Wissenschaftlern, die per Zufall auf eine neue Spur geraten sind oder in einer Routine von einem Detail überrascht wurden.
Die Entdeckung des Penizillins geschah eher zufällig, als die neugierigen Augen des schottischen Bakteriologen Alexander Fleming auf eine verschimmelte Bakterienkultur stießen. In einer kalten Novembernacht 1895 fiel dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen das schwache Leuchten eines Schirms auf; das machte ihn zum Entdecker der Röntgenstrahlung. Ein geschmolzener Schokoriegel in der Hosentasche des Ingenieurs Percy Spencer gab den Anstoß zur Entwicklung der Mikrowelle,
Weitere Kostenlose Bücher