Achilles Verse
dem umgefallenen Baum. Gleich dahinter verläuft allerdings ein Querweg, den eine Familie mit einem halben Dutzend Kindern entlangkommt. Ich drehe um und schlage einen Haken. Untenrum löst sich was. Bitte nicht. Zum
Glück nur Luft. Immerhin: Die Sprache des scharfen Dunstes versteht man im Tierreich. Das Biest dreht ab. Ich bin alleine. Gehe zu Boden. In letzter Sekunde.
Früher hatte ich mal Papier dabei, zwei Bogen Küchenrolle, zusammengefaltet, im Ärmel. Die sind stabiler als Dreilagiges. Aber nicht stabil genug, wenn man zur raren Spezies der Extrem-Unterarmschwitzer gehört. Und es sieht seltsam aus, wenn beim Laufen weiße Krümel aus dem Ärmel rieseln. Sobald man es braucht, ist das Papier jedenfalls weg. Also zurück zur Natur. Laub ist im Wald ja genug da. Meistens ist es allerdings zu trocken. Oder zu nass. Oder zu verrottet. Oder mit langen harten Tannennadeln durchmischt. Kleine eklige Tiere wohnen auch zwischen den Blättern. Es juckt.
»Achim, alles klar?«, ruft Klaus Heinrich vom Waldweg aus. Er ist schon ein paarmal auf und ab gelaufen. »Jaja«, antworte ich, »habe nur den Autoschlüssel verloren.« Klaus Heinrich denkt einen Moment nach. »Aber wir sind doch mit meinem Auto gekommen«, sagt er. Schweigend traben wir weiter. So richtig kommt unser Gespräch nicht mehr in Gang. Klaus Heinrich läuft am äußersten Rand des Weges. Wie ich den alten Spießer kenne, denkt er wieder nur an seine Ledersitze.
Tüchertasche, Yoga, Waldmarathon
Statt Achim antworten hier die in allen Lebenslagen kompetenten SPIEGEL ONLINE-Leser:
»Ich habe es mir angewöhnt, immer ein paar Blätter Toilettenpapier bei mir zu tragen, gegen das Durchweichen durch Schweiß geschützt entweder in einer leeren Taschentuchhülle (10er Pack, Sie wissen schon, zum Wiederverschließen) oder in einer Frischhalteplastiktüte (nicht so gern, die Verschlüsse sind hart und wenig biegsam). Dieses kleine Päckchen kann man leicht verstauen, im Winter in einer Tasche der langen Hose oder Jacke, im Sommer im Zweifel vorn in der Unterhose (nach 25 km ist dort eh Platz genug).«
WERNER
»Ich habe in meinem Läufertagebuch oft einen Eintrag: SMT, das ist das Kürzel für Schließmuskeltraining. Da wird jeder Meter zur Qual, bis endlich das Haus in Sicht ist, jetzt noch in den 3. Stock hoch, mit zusammengekniffenen Backen am Treppengeländer hochgezerrt, Schlüssel längst in der Hand, Tür ins Schloss werfend, Deckel hoch, Hose runter – aaaahhhhhh!«
DETLEF
»Vielen Dank für Ihre Verse zum Thema Peristaltik. Versuchen Sie es beim nächsten Mal mit einer spontanen Yoga-Übung und denken Sie dabei ganz intensiv an meditative Musik. Das könnte zur Entspannung der Lage beitragen.«
DIETER
»Ich habe schon genug Ärger mit den Läufern wegen meinem Hund, und der regt sich keineswegs über ›sich den Darm entleerende Läufer‹ auf. Was auf ›die Läufer‹ in Bezug auf unseren Hund nicht zutrifft.«
MICHAEL
»Ich habe auch schon ähnliche Erfahrungen aus dem Bereich der Peristaltik gemacht. Joggen im Wald ist in Brasilien kaum möglich, da der Urwald an den meisten Stellen kaum begehbar ist. Viel Spaß macht das Joggen allerdings am Strand. Wenn es im Darm drückt, dann stürzen wir uns kurz in die Wellen und tun so, als würden wir uns abkühlen.«
MICHAEL
»Bei einem labilen Unterleib drängen sich Waldmarathons wie Arolsen förmlich auf, bei denen der Mangel an Zuschauern durch schier unerschöpfliche peristaltische Ausflugsmöglichkeiten mehr als wettgemacht wird.«
BERND
Die Wiedervereinigung hatte viele Facetten. Die einen bekamen Bananen und D-Mark, andere einen dicken Hals. Einige der ausgestorben geglaubten Exemplare sind bis heute erhalten geblieben. Beim Laufen erkennt man sie sofort – an Stechschritt und NVA-Klamotte.
Es gibt Orte, an die erinnert man sich nur wegen des Geruchs. Diese Plattenbauschule zwischen Köpenicker Landstraße und Neuer Krugallee zum Beispiel, wo sich an einem Sonntagmorgen im Februar alle morgenverdauenden Sportsfreunde Berlins treffen. Der Basisduft ähnelt dem Abort eines Atom-U-Bootes nach sechswöchigem Tauchgang, zart überlagert von einem Aroma kunstfaseriger Herrensocken, die in den Gummistiefeln eines Bohrinsel-Malochers fortgeschrittenen Zerfall erlebten. Korrespondierende Kopfnoten: Puma und Schabrackentapir. Der Kenner riecht sofort: Läufer hier, viele Läufer! Wer beim Plänterwald-Lauf mitmachen will, muss rein in dieses olfaktorische Inferno, zum Anmelden.
Beim
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