Achilles Verse
lukrativ.
Mona ist eine schlaue Gattin. Wäre sie blond und besäße eine Vorliebe für Paillettenjeans, hätte sie als Fußballerfrau Karriere gemacht, so gerissen ist sie. Am Samstag, als ich die Laufausrüstung anlege, setzt sie sich im Bett auf, lässt den Wirtschaftsteil der »Frankfurter Allgemeinen« sinken und beobachtet mich seit langer Zeit mal wieder verdächtig ausführlich.
Mona sagt immer, ich hätte »Lothar-Matthäus-Schenkel«. Das ist ein mehrfach niederträchtiger Vergleich. Kräftige Oberschenkel, deren Muskeln sich irgendwo tief im Inneren des Beines befinden müssten, sonst würden sie sich ja unter der Haut irgendwo abzeichnen, sind genetisch bedingt, die werden nun mal nicht kenianischer mit der Zeit. Auf meine Charakterbeine werde ich so gern angesprochen wie Peter Maffay auf diese Pocke mit den Borsten links über seiner Oberlippe. Das weitaus gemeinere Verletzungspotenzial steckt allerdings in »Lothar Matthäus«.
Ich weiß, dass Mona es gleich wieder sagen wird, ich weiß, dass es mich treffen wird. Und ich kann nichts dagegen machen. Da! »Du, Achim« – es geht schon los. »Kann es sein, dass deine Beine dünner geworden sind?« Wie bitte? Ähhh, also. Das stand nicht
im Drehbuch. Mona spielt falsch. Auf Ehe-Dialoge muss man sich verlassen können. Sie sind die T-Träger einer langjährigen Beziehung. Was will mein Vipernweib?
»Findest du?«, sage ich, um Zeit zu gewinnen. »Schade, früher hattest du so schöne breite Lothar-Matthäus-Schenkel.« War ja klar. »Willst du sie zurückhaben?«, frage ich. »Gib mir vier Wochen Urlaub und ein paar Kästen Pils.« Mona wedelt angewidert mit der Zeitung. Sie sagt: »Du verstehst mich nicht, hier steht, dass alle Ausrüster in diesem Jahr über 100 Millionen Euro für Werbung mit Athleten ausgeben. Und deine Beine sind so geformt, dass man Reklame darauf ganz besonders gut lesen könnte, wegen der Fläche.« »Aha«, sagte ich und verstand nicht ganz. »Wichtig ist die Zahl deiner Kontakte, wie viel Leute dich sehen«, erklärte mir das Marketing-Luder, das ich bis eben für meine arglose kleine Frau gehalten hatte.
Auf Monas Befehl hin saß ich abends vor einem Blatt Papier. Wie spricht man die Sportartikel-Industrie an? »Liebe Gierhälse« wäre ehrlich. Die lassen mich schließlich ihren bunten Krempel teuer bezahlen, obwohl ich pausenlos Werbung für sie laufe. So gehe es nicht weiter, hatte Mona gesagt. »Was Peer Steinbrück und Robert Hoyzer können, kannst du schon lange, Achim: Nebenverdienst. Nur ehrlicher.«
Ich lasse die Anrede erstmal offen und komme gleich zum Punkt. »Ich laufe in der Woche drei- bis viermal in belebten Berliner Naherholungsgebieten. Dabei begegnen mir jeweils etwa 100 Menschen, 50 davon aus der Kernzielgruppe ›Läufer‹. Im Jahr komme ich so auf etwa 20 000 Kontakte. Hinzuzurechnen sind zahlreiche erstklassige Laufveranstaltungen mit hoher Medienpräsenz, vielen Teilnehmern und Zuschauern, die mich durch mein langes Verbleiben auf der Strecke allesamt sehen.« Welche Veranstaltungen, das verrate ich lieber nicht. Reicht ja, wenn wir das bei der Vertragsunterzeichnung klären.
Und jetzt das grandiose Finale: »Hiermit stelle ich also fest, dass meine Reichweite die der einschlägigen Sportfernsehkanäle bei
weitem übertrifft. Wegen meiner physischen Eignung zur Sonderwerbefläche biete ich Ihnen hiermit an, mich von ihnen gegen eine von meiner Managerin auszuhandelnde Kompensation exklusiv ausrüsten zu lassen und, bevorzugt langfristig, unter Vertrag zu nehmen. In Läuferkreisen gemachte Äußerungen zum optimalen Dämpfungsverhalten Ihrer Sohle sowie Auftritte im TV würden gesondert honoriert.«
Das mit dem Fernsehen hatte sich Mona ausgedacht. Beim Hamburg-Marathon zum Beispiel läuft eine Endloskamera, an der jeder vorbeiwackeln muss, der unter sechs Stunden im Ziel ist. Wahrscheinlich wird das morgens um drei Uhr im Wechsel mit der »Space Night« gesendet. Ich könnte beim Passieren wie zufällig auf den Markennamen zeigen und beide Daumen emporrecken, als ob ich meine Weltklasseleistung nur den Schlappen aus Vietnam zu verdanken hätte. Wenn sie anbeißen, könnte ich mich auch bei Hallaschkas »Stern-TV« ins Publikum schmuggeln und im richtigen Moment aufspringen, krakeelen oder einen Infarkt vortäuschen. Von den Zuschauern hat ja jeder ein Logo auf dem Sweatshirt. Ob die alle einen Ausrüstervertrag haben? Hauptsache, ich muss mir nichts auf den Hemdkragen kleben.
Managerin Mona
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