Achilles Verse
Vitamin E mit Magnesium, Kieselerde und dem Hausfrauen-Extasy Johanniskraut, nennen es »Anabol Loges« und schreiben einen Mondpreis drauf. Großartige Idee. Kaum hört der Ausdauer-Freak »anabol«, bestellt er reflexartig, weil da ja ein winzigkleinesbisschen Illegales drin sein könnte. Ich sollte Früchtetee unter dem Namen »THCokespeedorade« auf Karls Schulhof verkaufen – das liefe bombig.
Läufer sind wie Techno-Teenies, die probieren jede Droge. Wenn morgen irgendwo steht, dass Gurgeln mit Klärschlamm gut fürs Tempo ist, lägen tags darauf Deutschlands Klärbecken trocken. Millionen Läufer hätten sie leer gesoffen. Und ich hätte jeden niedergeschlagen, der sich mir dabei in den Weg gestellt hätte.
Zwei Probleme haben die ganzen Wundermittel allerdings. Erstens: Wie versteckt man all die Dosen, Flaschen und Pillenpackungen vor Mona? In vier Paar Laufschuhen bekommt man nicht viel untergebracht. Und wirklich appetitfördernd sind die speckigen Aromasafes auch nicht. Im Auto unterm Reserverrad war viel Platz, aber nur, bis das Aldi-Carnitin kam.
Problem Nummer zwei ist gravierender: die Wechselwirkungen. Kalzium und Magnesium sollen sich aufheben, die Vitamine E und C bei zeitgleicher Einnahme sofort letal wirken. Eisen stopft, Aminosäuren und auch Magnesium führen dagegen zu unkontrollierter Darmentleerung. Kreatin lagert Wasser ein, und Zink macht schlapp.
Eines habe ich in Selbstversuchsreihen immerhin herausgefunden: zwei, drei Eisenpillen, und die Schotten sind 48 Stunden zuverlässig dicht. Da kommt nicht mal Magnesium durch. Dazu passt Vitamin E. Am nächsten Tag gibt’s dafür Kalzium mit Vitamin-C-Beilage. Am virtuosen Einsatz der restlichen zwei Dutzend Substanzen feile ich noch.
Neulich fragt mich mein Lauffreund Klaus Heinrich, ob bei mir denn molybdänmäßig alles im grünen Bereich sei. Berechtigte
Frage: Spontan spürte ich Mangelschmerz. Wie konnte mir das passieren, wo Molybdän doch sogar in der Stahlindustrie verwendet wird und im Raketenbau? Das sollte jeder Läufer im System haben. Und Mona wird auch keinen Verdacht schöpfen. Ich pack das Zeug einfach in meinen Werkzeugkasten.
Pillen-Power
Mit Pillen und Pulvern ist es wie mit Onanie. Keiner redet drüber, aber fast alle probieren herum. Der Glaube des Läufers an die Allmacht der Pharmazie ist von naiver Ergebenheit. Südamerikanische Kraftwurzeln, kanarisches Vulkanmehl, afrikanische Kakteen, dazu Aminosäuren, Kreatin, Carnitin, Kalzium, Kalium, Magnesium und alle Vitamine.
Was wirklich hilft? Keine Ahnung. Wer jeden Tag eine Hand voll Pillen einwirft, wird das meiste davon im besten Fall via Kanalisation einigermaßen problemlos entsorgen. Im schlechteren Fall werden ihn Magengrimmen und Durchfall in die Knie zwingen. Eine Magnesium-Brausetablette kann dem nicht schaden, der zu Krämpfen neigt, etwas Vitamin C im Winter ist ebenfalls nicht verkehrt. Eine Blutanalyse beim Hausarzt kann Hinweise auf Mangelzustände liefern. Frauen zum Beispiel sind mit einer Eisenpille gut bedient. Ansonsten: viel Glaube, viel Ritual und Mythos und gewaltige Gewinnmargen für die Verkäufer. Wer wirklich alles glaubt und alles nimmt, läuft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schneller, sondern wird eher unter den wenig erforschten Wechselwirkungen
der Mittel leiden, die Nahrungsergänzung heißen, aber oftmals nah am Medikament sind. Eine vernünftige Ernährung mit Vollwertprodukten, viel Obst und Gemüse liefert womöglich mehr an Mineralstoffen und Spurenelementen als die Kombination Burger plus Pille. Einen Überblick liefert das Buch »Die Lauf-Diät« von Herbert Steffny und Dr. Wolfgang Feil sowie Achilles’ »Lauf-Gourmet«, auch wenn nach Lektüre die Verwirrung größer ist als vorher.
Gewiss, Laufen ist gut für den Körper und die Seele. Aber Achim hat festgestellt, dass sich die Eintönigkeit dieser Bewegung auch nachteilig auf die Sinne auswirken kann. Sogar ganze Körperteile ziehen sich nach einer gewissen Zeit ins Exil zurück.
Letztendlich dreht sich bei unserem schönen Laufsport ja alles ums Blut. Viel muss es sein, dünnflüssig auch und reichlich gute Sachen müssen drin schwimmen. Aminosäuren zum Beispiel und genug Eisen. Das Blut ist allerdings auch ein scheues Reh. Es neigt dazu, sich bei längerer Aktivität in irgendwelche geheimnisvollen Ecken des Körpers zurückzuziehen.
Aus dem Kopf verschwindet es zum Beispiel ziemlich schnell. Deswegen gucken Läufer nach einer Stunde durchweg grenzdebil. Manche
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