Achilles Verse
Marathon sehe ich nur noch ein klitzekleines Problem: Er ist doppelt so lang.
Teststrecke Halbmarathon
21 Kilometer. Das klingt viel, ist aber für ambitionierte Anfänger wie für Fortgeschrittene ein realistisches Ziel. Wer dreimal die Woche eine gute Stunde laufen kann, der schafft mit etwas systematischer Vorbereitung auch den Halbmarathon. Drei Monate lang einmal die Woche 90 bis 100 Minuten, einmal 60 Minuten etwas zügiger und einmal 70 Minuten entspannt, das sollte funktionieren.
Das Schöne am Halbmarathon für Anfänger: Er ist in ungefähr zwei Stunden vorbei. Der Körper kommt mit seinen Vorräten aus, sämtliche Horrorszenarien vom Einbruch gibt es hier nicht. Für den Fortgeschrittenen ist die Halbdistanz wiederum prächtig als Formüberprüfung. Hier kann man mit dem Tempo spielen, ohne Angst vor der großen Schlappe haben zu müssen. Die 21-Kilometer-Strecke ist vielleicht die angenehmste unter den längeren Distanzen. Zu lang, um ohne Training durchzukommen, aber zu kurz für langes Leiden. Es gilt die alte Regel: Marathon würde viel mehr Spaß machen, wenn’s nur die halbe Strecke wäre.
Wer als Läufer mithalten will, muss über pharmazeutische Kenntnisse verfügen. Sonst droht schnell der Amino-Enzym-GAU. Viel hilft viel, sagt der Volksmund. Also Augen zu und schlucken.
Gestern war ein Glückstag. Am Eingang bei Aldi lugten gleich neben dem WC-Schaumreiniger der Geschmacksrichtung »Tropic« Pillen vom Grabbeltisch: L-Carnitin & Vitamin E, zum halben Preis. Nuggets! Der typische Aldi-Kunde verschmähte diese wunderbaren Kapseln offenbar, er verdrückt beim Walking lieber fettige Muffins mit Negerküssen drauf.
L-Carnitin ist wie Koks für den ambitionierten Läufer. Noch an der Kasse habe ich eine Hand voll verputzt. Das Zeug kurbelt den Fettstoffwechsel an, natürlich nur, wenn man dazu reichlich Niacin und Biotin wirft. Da kann man dem Hüftgold beim Schmurgeln zuhören. Man muss das Zeug nur lange genug nehmen. Irgendwann ist es bestimmt auch bei mir so weit.
Den Radrennfahrer Rudi Altig nannten sie die »rollende Apotheke«, weil zwischen 40 zweifelhaften Substanzen in seinen Adern kaum noch Platz für Blut gewesen sein soll. Rudi, alter Waisenknabe, das war harmlos! Wenn sich Läufer heute das Knie aufschlagen, müssen die Blutstropfen auf der Sondermülldeponie entsorgt werden. Denn neben Carnitin schwappen Kreatin (Muckis) und Guarana
(Speed) sowie Eisen (rote Blutkörperchen) in einer Lake aus Calcium (Knochen) und Magnesium (Krämpfe), gewürzt mit Zink (Abwehr) sowie den Vitaminen A bis Z. Erst der Schuss Selen (Bindegewebe) aber rundet ein Bouquet ab, das allerdings ohne eine Spur Acetylcholin (Gefäßerweiterung, leider auch Darmtätigkeit) und einem Ideechen Glukosaminsulfat (Knorpel) nicht rund wäre.
Modedroge des Frühjahrs ist die Aminosäure. Ohne Alanin (Glukoseaufbau), Isoleucin (noch mehr Muckis), Tryptophan (Wachstum) und Valin (gutes Wetter) gehe ich gar nicht aus dem Haus. Damit das gute Gewissen nicht zu kurz kommt, pfeife ich noch ein paar Naturprodukte ein: Apfelessigkapseln (Glykogenspeicher), Grünlippmuschelextrakt (Gelenke) und Weizenkeimessenz (weiß ich nicht mehr). Davon merke ich zwar genauso wenig wie von dem anderen Zeug. Aber wenn ich den Öko-Krempel zur Pharmazie dazu kaufe, dann habe ich Plus auf meinem Gutmenschenkonto und kann mir das Mülltrennen sparen.
Pulver und Pillen sind für den trainierenden Mann, was für Frauen die Kosmetik ist: Weil es teuer ist, spürt man sofort deutliche Verbesserungen. Mein Dealer ist ein 150-Kilo-Ungetüm im Pitbull-Sweatshirt mit abgeschnittenen Ärmeln. Oberarme wie Ott-fried Fischers Oberschenkel, nur härter. Er gibt Kraftpulver in Farbeimergrößen ab. Allein der Einkauf hier gibt mir Stärke. Zum Glück nimmt er Kreditkarten.
Neulich habe ich versucht, den Hersteller des Kreatins zu googeln. »Site wird überarbeitet« – klingt ja superseriös. Da keimt der Verdacht, die kaufen einen Doppelzentner Kalk im Baumarkt, füllen das Pulver um, schreiben »Amino-Carbo-Power« und »79,99 Euro« drauf.
Guru Greif ist auch so einer: Der tut, als wäre er Trainer, dabei betreibt er eine Internet-Apotheke. Jede zweite Woche preist er einen Hinterhof-Forscher an, der bei Versuchen mit drei altersschwachen Hamstern einen Wunderstoff entdeckt hat. Und den gibt es rein zufällig vier Wochen vorm Marathon, wenn alle Panik schieben, zum Sonderpreis.
Am schlauesten stellt es die Firma Loges an. Die mischen etwas
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